Die verschwundene Stufe

  • Sylvia Kuska
Wussten Sie, dass das Schloss auf 9000 Pfählen steht? Sie konnten aber auch nicht verhindern, dass der morastige Boden im Laufe der Zeit unter der Schwere des Prachtbaus nachgab. Wie sehr, das zeigt diese Treppe im Burggarten.
21.02.2015
Sylvia Kuska

„Die unterste Stufe war einmal genau so hoch wie die anderen“, sagt Gottfried Holzmüller. Der Stadtführer ist mit zwei handvoll Frauen hinterm Schloss unterwegs. Viele Geschichten, die er auf seinem Rundgang zum Weltgästeführertag erzählt, beginnen „der Sage nach“ und drehen sich rund um das Petermännchen. Jenen Schlossgeist, der je nach Legende in seinem Reich vor Kaninchenwerder einen Schatz bewacht, in unterirdischen Gängen durch die ganze Stadt huscht, in einem der Zimmer über der Schlosskirche wohnt und einst Unheil von der Stadt abhielt, weil er einen schlafenden Schlosstrompeter rechtzeitig vor Ankunft der Feinde weckte.

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In der Mitte der Schlossrückseite angekommen, stoppt Gottfried Holzmüller an der kleinen Treppe, die den Weg zum Brunnen ebnet. Zwei Millimeter pro Jahr senkt sich der Boden und mit ihm das Schloss, erzählt er. Gottfried Holzmüller meint es ernst. Auch, weil Petermännchen hier seine Finger ausnahmsweise nicht im Spiel hat. Die unterste Stufe gibt dem Zahlenspiel ein konkretes Bild. Ebenerdig liegt sie den Besuchern zu Füßen. Vor 60, 70 Jahren soll sie wie die anderen noch 16 Zentimeter herausgeschaut haben? Staunen bei den Zuhörern. Zustimmung von einer älteren Dame. „Als Kind bin ich von ihr immer heruntergesprungen.“ Wird es in ein paar Jahrzehnten noch eine weniger sein? Gottfried Holzmüller hebt die Schultern. Bei der Schlosssanierung werde jedenfalls alles dafür getan, das Absinken aufzuhalten.