Es war einmal ein Eulenspiegel

Wen interessierte schon eine Sichtachse, wenn ein Zeitungskiosk hineinpasst. Und warum hieß es Zeitungskiosk, obwohl es keine Zeitungen, sondern nur Organe gab? Wenn man lange genug an einem Ort gelebt hat, kleben überall kleine und große Geschichten. An Häusern, Straßen und Plätzen. Eine Facebookseite sammelt historische Fotos von Schwerin. In loser Folge wollen wir in diesen Bildern spazieren gehen.
20.03.2014
Roland Regge-Schulz

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„Einen Eulenspiegel, bitte“, sage ich. Eigentlich hätte ich fragen müssen: „Haben Sie...?“ Mit der Frage wäre schon die Brücke für das „Nein“ der Verkäuferin gebaut, weil ich von vornherein gar nicht damit rechne, dass sie etwas hat.

„Nein, ist schon aus“, sagt die Verkäuferin. 

„Schade“, sage ich.

Es ist Donnerstag und der neue Eulenspiegel wurde heute ausgeliefert. Es ist leider der vierte Donnerstag. Am jedem vierten Donnerstag ist die Funzel auf der Rückseite. Besonders lustig und mit einem weiblichen Akt, der für einen Spruch herhalten muss. An jedem vierten Donnerstag ist der Eulenspiegel im Prinzip schon ausverkauft, bevor der Kiosk öffnet. Es ist nicht mein Kiosk, nur selten komme ich hier vorbei. Aber heute will ich meine Passbilder abholen. Ich bin vom Leninplatz (Marienplatz) in Richtung Bahnhof zu Foto Harder unterwegs und der Kiosk liegt halt auf dem Weg. Ich kann ja mal fragen, einfach so.

„Schade“, sage ich.

Die Verkäuferin guckt hoch: „Roland, ach du bist es!“

Die Verkäuferin ist meine Nachbarin, wohnt nur ein paar Türen weiter. Bis eben habe ich gar nicht gewusst, wo und was sie arbeitet. 

„Oh, Guten Tag!“, sage ich höflich.

„40 Pfennig“, sagt sie.

Ich stecke den Eulenspiegel ein, samt Funzel.