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Schweriner Nachtbrötchen
Wer nicht in der Weststadt wohnt und es leicht zu Fuß nach Hause schafft, zieht hinunter zum Leninplatz (Marienplatz). Von hier aus fahren die Straßenbahnen nach Lankow und auf den Dreesch. Die Abstände zwischen den Bahnen sind lang. Lumpensammler werden sie genannt. Es ist noch Zeit bis zur nächsten Abfahrt. Zeit für frische Brötchen.
In der Dampfbäckerei in der Hermann-Matern-Straße sind die Bäcker schon am Werk, schieben Brot und Brötchen in den Ofen, füllen die Regale für den nächsten Morgen. Der Laden hat noch geschlossen. Natürlich hat er das. Es ist mitten in der Nacht. Wir klopfen, die Bäcker öffnen uns. Wir bestellen Brötchen. Die Bäcker füllen ein paar Tüten. Wir bedanken uns mit mehr Geld, als die Brötchen am nächsten Morgen kosten werden. Geld, dass die Bäcker gleich in die Kasse legen werden. Bestimmt! So frisch wie jetzt werden die Brötchen am nächsten Morgen längst nicht mehr sein. Sie sind nicht warm, sie sind noch heiß.
Wir nehmen die Brötchen mit nach Hause. Nicht alle schaffen es bis auf den Frühstückstisch. Dafür duften sie einfach zu gut. Aber die, die übrig bleiben, die besänftigen die Eltern, die entschuldigen die dicken Augen und die Fahne des Sohnes am Tisch.
Die Dampfbäckerei ist längst Geschichte. Die Ladenräume sind gerade zu vermieten. 138 Quadratmeter und noch einmal 90 Quadratmeter Lagerfläche dazu. Platz genug für eine Bäckerei mit viel Dampf und einem Herz für Nachtschwärmer.