„Blamieren Sie sich nicht. Das Fernsehen ist da“

  • dieschweriner
    So berichtete die Fußballwoche nach dem Finale 1990.
Peter Herzberg hat zu Hause ein Trikot von Austria Wien. Nr. 11, Ralph Hasenhüttl. Eine Erinnerung an den Fußballsommer 1990. Zweimal Europacup mit PSV Schwerin, zuvor das Pokalfinale gegen Dynamo Dresden. 1:2 ging das Endspiel zwar verloren, aber der DDR-Meister „wurde voll zur Kasse gebeten“, wie die Fußballwoche damals schrieb.
02.06.2015
Matthias Hufmann

Zu erwarten war das nicht. Im Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark traf am 2. Juni 1990 der 14. der zweiten Liga auf das beste Oberligateam. Bei Dresden liefen Spieler wie Matthias Sammer, Ulf Kirsten und Jörg Stübner auf. „Blamieren Sie sich nicht“, hatte der Präsident des DDR-Fußballverbandes, Hans-Georg Moldenhauer, zuvor in der Schweriner Kabine gesagt. „Das Fernsehen ist da.“ Sätze wie zusätzliche Motivation, erinnert sich Herzberg. „Obwohl ich die eigentlich gar nicht brauchte. Ich war fast 31 und wusste: So eine Chance kommt nicht wieder.“

Nach fünf Minuten stand es 1:0 - für den PSV. Matthias Stammann hatte drei Dresdner umkurvt und zu André Kort geflankt. „Ich brauchte nur noch den Fuß hinzuhalten“, sagte der Stürmer später. Dresden drängte und kam 13 Minuten danach zum Ausgleich. Stübner hatte den Ball halbrechts an der Strafraumgrenze mit der Brust angenommen und direkt geschossen. 1:1. Nach der Pause wurde Dynamo-Regisseur Hans-Uwe Pilz wegen einer Tätlichkeit vom Platz gestellt. Die Hoffnung wuchs beim Außenseiter, „es ging ganz schön zur Sache“, so Herzberg, der Abwehrspieler.

Dann aber machte Kirsten den Schweriner Traum zunichte. Der Torjäger traf sechs Minuten vor Schluss per Kopf zum 2:1. „Wir haben hoch gepokert, alles für dieses Spiel gegeben, ums Überleben gekämpft“, sagte Manfred Radtke nach dem Schlusspfiff - und die Fußballwoche fand, dass der PSV-Trainer damit das „zum (Marketing-) Handwerk gehörige Klappern förmlich erfunden haben könnte.“

Und Peter Herzberg? Der nahm zwölf Flaschen Sekt mit in die Kabine. „Wir hatten schließlich was zu feiern.“ Der PSV, dem Wochen zuvor noch die Auflösung drohte, und bei dem die offenherzige Illustrierte „Neue Revue“ als Trikotsponsor einsprang, hatte sich mit 2:0 in Babelsberg, 3:1 gegen BSG Stahl Riesa, 3:2 gegen BSG Schiffahrt/Hafen Rostock, 3:1 gegen den 1. FC Magdeburg, 1:0 gegen Lok Leipzig „und mit 'nem bisschen Losglück“ für dieses Finale qualifiziert. „Für uns war das der Hammer“, sagt der heute 55-Jährige. „Eine einmalige Geschichte.“

Eine einmalige Geschichte, die erst im Europapokal endete. Dresden hatte den Titel und den FDGB-Pokal (der beim Endspiel schon „Pokal der Gewerkschaften“ hieß) gewonnen und damit auch das Double. Der PSV durfte am Cup der Pokalsieger teilnehmen, verlor das Hinspiel 0:2 gegen Austria Wien und holte auswärts ein 0:0. Der Gegenspieler von Herzberg war - Ralph Hasenhüttl, der als Trainer von Ingolstadt gerade in die Bundesliga aufgestiegen ist.

„Peter Herzberg spielte mit Herz“, schrieb die Bild vor 25 Jahren auf der Titelseite. Auch diese Zeitung hat er aufbewahrt. Wie das Trikot mit der 11.

2. Juni 1990 in Berlin: SG Dynamo Dresden – PSV Schwerin 2:1
Dresden: Schulze, Lieberam, Wagenhaus, Schößler, Büttner, Stübner, Pilz (52. Platzverweis), Sammer, Kirsten, Döschner (74. Radtke), Gütschow (87. Minge)

Schwerin: Reinke, Eggert, Herzberg, Beutling, Stammann, Prange, Drews, Ruppach, Kort, Gottschalk (76. Buchsteiner), Baumgart (66. Benthin)

Torfolge: 0:1 Kort (5.), 1:1 Stübner (18.), 2:1 Kirsten (84.)

Zuschauer: 5.750 im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark

Schiedsrichter: Gläser (Breitungen)