Schweriner Traumstraßen: Der Franzosenweg
Wenn im März die Sonne die Landeshauptstadt verwöhnt und den winterlichen Nebel vom See verdrängt, dann ist es wieder so weit: die Schwerinerinnen und Schweriner zieht es hinaus zum Franzosenweg. Seit Ende Oktober verlieren sich hier vereinzelte Jogger und wenige Ganzjahresradler, doch nun sind alle wieder unterwegs. Die Inliner aus dem Keller geholt, das Fahrrad geputzt – zumindest frisch aufgepumt – den Kinderwagen schiebend, Hunde an der Leine (oder auch nicht), mit Spazierstöcken und anderen Gehhilfen ausgestattet. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten führen hier und dort zu kleinen Staubildungen oder ungewollten Berührungen. Einige der Flaneurinnen und Flaneure, eher letztere, sind sogar schon im T-Shirt unterwegs. Bei 8 Grad im März, nicht bei 15 Grad im Mai. Das müssen direkte Nachfahren der Wikinger sein. Ich wickle mir den Schal enger und biege im Schlossgarten links ab in Richtung Zippendorf. Vier Kilometer sind es, verrät der Wegweiser, 3734 Meter davon gehören der schönsten Straße Schwerins: dem Franzosenweg.
Links liegt das Ruderhaus mit dem Vereinshaus der Schweriner Rudergesellschaft, nebenan das Café mit der schönsten Terasse an der Schlossbucht. Rechterhand der Küchengarten. Zu Großherzogs Zeiten wuchsen hier Dill, Petersilie, Gurke und Kartoffel, sogar Bananen und Zitrusfrüchte für die Schlossküche. Die Bundesgartenschau 2009 verwandelte ihn wieder in ein Garten- und Kräuterparadies, geblieben sind die rötlichen Mauern. Auch das Ruderhaus entstand in der heutigen Form für die BUGA, damals Verpflegungsstützpunkt für täglich tausende Gartenschaubesucher.
Für eine kurze Wegstrecke ist der Blick zum Schloss auch vom Franzosenweg frei, verschwindet dann hinter den reetgedeckten Bootshäusern. Der Tennisplatz, dann biegt der Franzosenweg mit einer leichten Kurve, vorbei am Schlossbuchtcafe und dem Segelclub, hinaus in die Natur.
"Befreit vom Eise sind Strom und Bäche" schrieb Goethe in seinem Osterspaziergang. Das gilt hier für die Gräben, die verbunden sind mit der Kleinen Karrausche, einem versteckten See, dessen geringe Größe ihm verwehrte, als achter zur Stadt der Sieben Seen beizutragen. Die Wiese zur Linken ist im Frühjahr häufig gemäht, im Sommer schon mal üppig bewachsen.
Eltern mit Kindern sei der Spielplatz mit den lustigen roten Hütten empfohlen, auch eine Errungenschaft der BUGA: der Spielplatz der Atolle. Einst fauchten die roten Hütten, die Vulkane darstellen, jederzeit zur Eruption bereit.
Der Franzosenweg vollzieht nun weitere großzügige Kurven, ein Holzsteg führt auf die Halbinsel Adebors Näs. Man rate: ja, auch der Steg ist ein Überbleibsel der großen Gartenausstellung.
Wer hier, hinter dem Holzsteg, rechts und links des Weges den Waldboden betrachtet, stellt fest, worauf Schwerin gebaut ist. Die Obotriten musten einst viele Flächen für die Stadtbebauung dem Sumpf abringen. Und später die Franzosen, als sie diesen Weg bauten.
An dieser Stelle sei der Namensgebung des Weges gedacht. In den Kriegsjahren 1870/71 waren auf der Insel Kaninchenwerder etwa 800 französiche Gefangene untergebracht. 50 bis 75 von ihnen mussten von der Badeanstalt Kalkwerder bis etwa zur Einmüdung der Schloßgartenallee den Uferweg ausbauen. Der Volksmund war promt zur Stelle und taufte die neue Strasse Franzosenweg.
Diesen Abschnitt haben wir somit noch gar nicht erreicht! Zunächst kommt der Schweriner Yacht-Club, rechts die Große Karausche, übrigens auch keiner der sieben Seen. Endlich Kalkwerder, seit 1834 in Betrieb und somit älteste Badeanstalt Schwerins. Nicht ganz so alt ist die Imbissbude nebenan, ihr Charme erinnert eher an DDR-Zeiten. Pommes Frites und Bier aber sind vorzüglich. Nun wird es mondän. Feine Bungalows, kleine Burgen mit Erkern und Türmchen und prächtige Stadtvillen mit Panoramaglasfronten zum Südufer des Schweriner Sees säumen den Weg. Hier vernimmt man des öfteren Kommentare derart "Och, das würde ich schon nehmen!" oder "Boah, sooo wohnen!" Oder habe ich gerade bloss laut gedacht?
Von hier schweift der Blick weit über den See. Gegenüber liegt die Insel Kaninchenwerder, ein Ziel der Weißen Flotte. Das markante Gebäude auf der gegenüberliegenden Seeseite ist die Außenstelle der Bundesbehörde für Stasi-Unterlagen in Görslow. Und bis zu 5000 Segel- und Motorboote sind auf dem Schweriner See unterwegs.
Am Ende des bebauten Abschnitts trifft die Schlossgartenallee auf den Uferweg. Sie führt, wer hier schon genug Seeluft geschnuppert hat, auf geradem Weg zurück in die Stadt. Bis 1977 mündete hier die Straßenbahnlinie nach Zippendorf auf den Franzosenweg. Das Ufer ist nun steiler, die Hänge rechts des Weges bewaldet. Früh im Jahr ist es noch kühl, vom See her kommt meist kalte Luft hinauf und die Bäume schirmen das Sonnenlicht ab.
Bald macht sich ein, äh, Duft bemerkbar. Wir nähern uns dem Schweriner Zoo und können vom Franzosenweg aus Wildschweine und andere Zoobewoher beobachten. Hinter dem Zoogelände liegt der Kletterwald mit einem Rundparcours, der mir von untern schon Respekt abringt. Wer möchte kann hier von Ende März bis Oktober sportlich einige Meter über dem Waldboden auf Schwebebohlen und Seilbrücken aus Indiana-Jones-Filmen staksen. Alles angeseilt und gesichert natürlich.
Nun sind es noch wenige Meter, bevor wir uns dem östlichen Ende des Franzosenweges nähern. Oben am Hang liegt die Ruine des einstigen Kurhauses. Und endlich, endlich eröffnet sich der Blick auf Zippendorf. Die Bucht, die Promenade mit der Eichenallee und der Häuserzeile, vor allem aber der Strand. Im Frühjahr bevölkert von einigen Schwänen und hunderten Möwen, im Sommer von Sonnen- und anderen Badenden.
Der Blick nach Schwerin zeigt die Skyline mit Schloss, Dom, Paulskirche und Schelfkirche.
Wer verweilen mag, dem sei ein Besuch der Naturschutzstation oder ein eine Tasse Kaffee mit Kuchen in Gundels Garten empfohlen, der je nach Wetter wohl um die Osterzeit öffnet. Wer indes noch nicht genug hat, den führt der Uferweg weiter nach Mueß, Raben-Steinfeld, Leezen und irgendwann, nicht immer direkt am See und nicht immer auf so komfortabel ausgebauter Piste, zurück nach Schwerin.