Mit dem Stadtführer unterwegs

  • Hans-Dieter Hentschel
    Stadtführer Hans-Joachim Falk
Jeden Tag gehen wir die Wege, die uns der Alltag vorgibt. Wir eilen stets an den gleichen Häusern vorbei, biegen an gewohnter Stelle ab. Die Stadt scheint uns vertraut. Und birgt doch so manches Geheimnis. Wir haben den heutigen Weltgästeführertag zum Anlass genommen und auf gewohnten Pfaden das Unbekannte am Bekannten gesucht.
20.02.2014
Sylvia Kuska

Hans-Joachim Falk kennt Schwerin wie seine Westentasche, weiß zu jedem Haus eine Geschichte zu erzählen. Etwa jene, dass das Konservatorium einmal ein Ministerhotel war. Oder das Neustädtische Palais zu DDR-Zeiten ein beliebter Ort für Betriebsfeste. Seit mehr als zehn Jahren ist er im Auftrag der Stadtmarketing als Gästeführer unterwegs. Anekdoten, Jahreszahlen, Herzogsnamen – der 63-Jährige kann sie alle aus dem sprichwörtlichen Effeff. Alte Fotos und Zeichnungen geben seinen Geschichten ein Gesicht. Oder wecken Erinnerungen. Wir baten ihn, mit uns aus dem Blickwinkel eines Schweriners durch die Stadt zu gehen. Auf geht’s!

Café Röntgen
Das imposante Säulengebäude am Markt ist ein beliebter Platz zum Verweilen. Dort, wo die Gäste heute bei einer Tasse Kaffee verweilen, herrschte auch früher schon reges Treiben. „Es entstand in den Jahren 1783 bis 1785 im Auftrag von Herzog Friedrich dem Frommen als Markthalle“, berichtet Hans-Joachim Falk. Das Krambudengebäude, so hieß es damals, erstreckt sich zwar über die gesamte Marktbreite, ist aber nur ein Zimmer tief. Auch das hat einen historischen Grund: „Das sollte verhindern, dass es zum Feiern und Tanzen genutzt wird“, sagt der Gästeführer. Wurde es viel später, zu DDR-Zeiten, im Gewölbekeller dann aber doch.

Rathaus
Geld sparen zu müssen, ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Schnell und günstig eine neue Fassade zu schaffen, das war der Auftrag, den Georg Adolph Demmler 1834/1835 für das Rathaus erhielt. Er löste die Herausforderung, indem er an der Seite, die zum Markt gewandt ist, vier nebeneinanderstehenden Häuser über die Fassade miteinander verband. Auf der Rückseite sind die einzelnen Gebäude als solche immer noch gut zu erkennen.

Durchgang unterm Rathaus
Bei schlechtem Wetter bietet er Brautpaaren und ihren Gästen Unterschlupf. Während des Weihnachtsmarktes drücken sich Kinder an den Vitrinen mit Krippen und bunten Karussells die Nase platt: Der Durchgang unterm Rathaus verbindet den Altstädtischen Markt seit dem 19. Jahrhundert mit dem Schlachtermarkt. Davor wurden an dieser Stelle in einem Gerichtssaal Straftäter verurteilt.

Dom
Der höchste Kirchturm Ostdeutschlands steht mitten in Schwerin und gehört zum Dom. Den Rekord hält er mit seinen 117,5 Metern knapp vor der St. Petri Kirche in Rostock: Beide Spitzen trennen nur einen halben Meter. Der Dom ist das einzige mittelalterliche Bauwerk der Stadt, das noch erhalten ist.

Wöhler
Das traditionsreiche Weinhaus an der Ecke Puschkinstraße/Burgstraße bildet das Tor zur Schelfstadt. Die meisten Häuser des Stadtteils stammen aus dem 18. Jahrhundert. So auch das alte Fachwerkhaus. Die Weinprobierstube wurde 1895 eröffnet. Die Wandbilder in den Gasträumen sind noch original, ebenso wie die meisten der auffallend bunten Fenster.

Schleswig-Holstein-Haus
Es steht mitten in Mecklenburg-Vorpommern und ist doch nach einem benachbarten Bundesland benannt: Das Schleswig-Holstein-Haus. Die Namensgebung geht auf eine Hilfsaktion zurück. Im Dezember 1989 erreicht Schwerin ein Hilfsangebot. Darin bietet Björn Engholm, der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, der Stadt Geld für die Sanierung eines denkmalgeschützen Gebäudes an. Einzige Bedingung: Das Gebäude muss kulturell genutzt werden.  Der Vertrag ist schnell geschlossen, Schleswig-Holstein gibt 3,5 Millionen DM. Als Anerkennung dafür wurde das Kulturforum 1995 unter dem Namen Schleswig-Holstein-Haus eröffnet.

Schelfkirche
Wissen Sie, wo die Nikolaikirche steht? Am Schelfmarkt. Aber steht dort nicht die Schelfkirche? Genau! Denn wir meinen das gleiche Bauwerk. Kirchen, die den Namen St. Nikolai tragen, sind dem heiligen Nikolaus von Myra geweiht. Nikolai ist im Lateinischen die Genitiv-Form des Namens. Er gilt als Schutzpatron der Seefahrer, Händler und Kinder. Den meisten Schwerinern ist die Kirche jedoch, abgeleitet von ihrem Standort, als Schelfkirche bekannt. 

Der Grundstein für die heutige Kirche wurde 1708 gelegt, eingeweiht wurde sie 1713. Das Besondere an dem Bau ist seine Form, die einem griechischen Kreuz nachempfunden wurde. „Deshalb sind die Seitenarme so kurz“, sagt Hans-Joachim Falk. Entworfen hatte die Kirche der Architekt Jacob Reutz. Er starb jedoch mitten in den Bauarbeiten. Als Anerkennung für seine Arbeit wurde er in der Vierung beigesetzt. „Das war eine besondere Ehre“, so Hans-Joachim Falk. Denn ansonsten fanden nur Angehörige der großherzoglichen Familie in der Kirche ihre letzte Ruhestätte.  Die Uhr am Glockenturm gilt übrigens als älteste „öffentliche“ Uhr der Stadt.

Brunnen „Rettung in Seenot“
Wo dieser Brunnen steht? Klar, am Bahnhof! Doch dort befand er sich nicht immer. 16 Jahre lang stand er auf dem Marktplatz. 1927 wurde umgesetzt. „Auf dem Markt war es zu eng“, sagt Hans-Joachim Falk. Denn dort stand zu dieser Zeit auch ein großes Bismarck-Denkmal. Im Sommer ist der Brunnen ein beliebter Anlaufpunkt für Kinder, die dann versuchen, mit ihren Händen den Seehunden das Wasser an der Schnauze abzudrehen.

Niederländischer Hof
Wer zum Niederländischen Hof möchte, wird heute an der Alexandrinenstraße fündig. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hätte er jedoch aus der Stadt kommend noch etwas weiter bis in die heutige Straße „Zum Bahnhof“ gehen müssen. Dort soll ein Hotel gestanden haben? Ja. Das Gebäude ist auch heute nicht zu übersehen, weil mit bunten Graffiti verziert. Als dort das Hotel seinen Sitz hatte, lautete die Adresse noch Wilhelmstraße. Hermann Krasemann kaufte es 1901 – in dem Jahr, in dem Heinrich von Mecklenburg die niederländische Königin Wilhelmina heiratete. Hermann Krasemann und der Prinz hatten schon als Kinder zusammen gespielt, da lag der Name für den Hotelbesitzer fast schon auf der Hand. 1920 wurde es am Pfaffenteich eröffnet.

Hans-Joachim Falk könnte noch viele Geschichten erzählen. Zum Schloss, zur Grotte, zum Großen Moor, zum Theater, zu prachtvollen wie verfallenen Gebäuden. Wer möchte, kann auch bei einer „Kleinen Kneipenplauderei“ bei Bier, Schmalzstulle und Sekt seinen Geschichten lauschen, aus einer Zeit, in der die Gäste noch mit Kutschen vor die Schweriner Kneipen fuhren.

 

Service

Die Führungen mit Hans-Joachim Falk und seinen Kollegen können bei der Tourist-Information am Markt gebucht werden. Zum Weltgästeführertag bietet das Stadtmarketing von Freitag bis Sonntag verschiedene kostenlose Führungen an.

Einen Überblick darüber finden Sie hier.