Das 100-Nester-Problem
„Wir stehen wieder da, wo wir vor einem Jahr waren“, sagt Landtagsdirektor Armin Tebben. Für die Diskussion heißt das: Ganz am Anfang. 2014 hatte es Beschwerden gegeben. Über Vogelkot auf Fahrrädern, die im Vorhof angebracht waren. Der Grund: Weiter oben, unterm Dach des Schlosses, brüteten die Schwalben in ihren Nestern. In den Jahren zuvor waren sie noch verteilt - auf Vorhof, Innenhof, Orangerie.
Durch die Bauarbeiten wurden sie verscheucht. Genau dorthin, wo geparkt wird. „Von den Autofahrern hat sich nie jemand beklagt“, sagt Tebben. Das sei behauptet worden, stimme aber nicht. Es seien vor allem Radfahrer gewesen - was ein bisschen klingt nach der Sorge vor dieser Schlagzeile: Schwalben müssen weg, damit Dienstwagen sauber bleiben.
Denn weichen sollen die Schwalben immer noch, wenn es nach der Verwaltung geht. Zum Teil jedenfalls. Tebben hat sich informiert, hat sich mit einem Ornithologen getroffen und mit diesem nach geeigneten Nistplätzen Ausschau gehalten. Ziel sei eine Drittel-Drittel-Drittel-Lösung. Rund ums Schloss, auch im Vorhof, aber nicht allein dort. Der Landtagsdirektor hat mit skeptischen Grünen gesprochen (Ursula Karlowski: „Eine Umsiedlung wird nicht ohne Verluste möglich sein“) und mit dem zweifelnden Nabu (Ulf Bähker: „Ich weiß nicht, wie den Mehlschwalben ein Umzug nahegebracht werden soll“).
Und doch: Mit der Unteren Naturschutzbehörde konnte ein Kompromiss gefunden werden. Samt Verteilerschlüssel. Alles gut also? Das jedenfalls dachte die Verwaltung - bis sich der Denkmalschutz eingeschaltet hat. Die Nester könnten entfernt werden, na klar. Aber neue Nisthilfen? Nicht am Schloss! D-e-n-k-m-a-l-s-c-h-u-t-z. Ein Wort wie ein Veto.
„Seit vergangener Woche sind die Schwalben zurück aus ihren Winterquartieren“, sagt Tebben. „Jetzt können wir erstmal nichts mehr machen.“ Außer - weiter verhandeln.
Das bedeutet: Radfahrer sollten in den nächsten Monaten eine Plane mitbringen zum Schloss, zumindest eine Plastiktüte für den Sattel. Und die Betreiber von Waschanlagen in der Stadt, die dürfen sich freuen. Die Dienstwagen kommen. Die Schwalben werden schon dafür sorgen.
Hintergrund
Schwalben sind Insektenvertilger und daher in der Landwirtschaft willkommen. Ihre Nester an Gebäuden werden vom Menschen in der Regel respektiert. Die an Wohnhäusern errichteten Nester werden allerdings häufig wegen der Verschmutzung der Wände beseitigt, obwohl dies nach dem deutschen Bundesnaturschutzgesetz verboten ist (§ 44 Abs. 1 BNatSchG). (Quelle: Wikipedia)