Der betuchte Lenin

  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 1 von 8)
  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 2 von 8)
  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 3 von 8)
  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 4 von 8)
  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 5 von 8)
  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 6 von 8)
  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 7 von 8)
  • Hans-Dieter Hentschel (Foto 8 von 8)
17. Juni und die Oberbürgermeisterin war nicht da. Deshalb muss man Angelika Gramkow zunächst einmal beruhigen: Niemand ist am Dienstag vom Denkmal gestürzt. Auch Lenin steht noch.
17.06.2014
Matthias Hufmann

Und zwar sauberer als zuvor. Die Statue in der Hamburger Allee wurde vor der Protestaktion eigens gereinigt und von Farbe befreit. Es war wie früher für die DKP und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend. Ihr Plakat hieß „Lieben. Lachen. Lenin lieben“ und hing quasi als Dekret über dem Boden, festgehalten von ein paar Jungsozialisten, flankiert von Mini-Lenins mit Sack über dem Kopf.

Die Welt war ein bisschen in Ordnung. Bis exakt 14 Uhr. Dann mussten die Plakathalter nach vorn tippeln und dem eigentlichen Protest Platz machen. Alexander Bauersfeld war aus Hannover angereist, um Lenin zu verhüllen. Genau an diesem Tag, 61 Jahre nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953.

Der einstige DDR-Bürgerrechtler klappte die Leiter auf, stieg hinauf und warf ein weißes Tuch über die Statue. Wieder unten fand er die Worte zur Tat: „Im 25. Jahr der unvollendeten-friedlich-demokratischen Revolution muss endlich Schluss sein mit der Verherrlichung der kommunistischen Ideologie und ihrer Täter“, sagte Bauersfeld. „Dieses Denkmal sollte für die Nachwelt fotografiert und abgerissen werden.“

Jetzt war nichts mehr gut auf dem Platz der Gegensätze. Zumindest nicht für 20 der 60 Menschen, die am Dienstag vorbei kamen. „Aufhören!“ „Pfui!“ „Buh!“ Die Lenin-Verteidiger. Ältere in kurzen Hosen, Rentner auf dem Elektrofahrrad, zu erkennen an der Zornesader. Auf der anderen Straßenseite brüllte ein junger Mann per Megafon um Aufmerksamkeit. Vergeblich. Er war nicht zu verstehen, er traute sich nicht näher.

Und die anderen? 20 waren da, um den Klassenkampf anzunehmen. Kapitalismus hier, Sozialismus da. Die Meinungsfreiheit. Die Arbeitsplätze. „Es war nicht alles schlecht“, war zu hören. In kleinen Gruppen wurde gestritten. Ohne Ergebnis natürlich, aber nach 25 Jahren ausgerechnet vor Lenin: Das konnte auch niemand erwarten. Soziologen jedenfalls hätten eine Feldstudie starten können.

Bleiben die restlichen 20. Journalisten mit Kamera und Block, ein paar Neugierige, ein paar Zufällige, ein paar Rechtsextreme. Der Verfassungsschutz stand gegenüber in zwei Transportern mit verdunkelten Fenstern und wird behaupten können, dass man zum Betriebsausflug im Feuerwehrmuseum gewesen sei. Die Parteien waren vor Ort. Die AfD suchte Kontakt. Der ehemalige Innenminister, Armin Jäger, brauste um 14.35 Uhr mit seinem Roller davon. Zu diesem Zeitpunkt waren DKP und die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend bereits zurückgetippelt. Es geht eben doch rückwärts im Sozialismus.

Eigentlich fehlte nur Gramkow. Sie hatte die Aktion mit der Begründung verhindern wollen, diese beeinträchtige das Erscheinungsbild und den öffentlichen Denkmalzweck des Standbilds. Außerdem könnten Teilnehmer von der Leiter stürzen. Nun: Verletzte gab es nicht. Und Lenin sieht besser aus als vorher. Für die Oberbürgermeisterin ist das bestimmt eine gute Nachricht.

Anzeige
Suche in der Schweriner Lokalpolitik

Weitere Artikel