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Kurden demonstrierten auch in Schwerin
Alyas Matinki packt an einem der größten Plakate mit an. „In Sengal stirbt die Menschlichkeit“, steht drauf. Und „Schweig nicht“. Drei Brüder von ihm sind noch in Sengal. In jener Stadt im Norden des Irak, die die Terrororganisation bereits eingenommen hat. Die Brüder leben. Werden aber in einem Haus gefangen gehalten, erzählt er uns. „Sie haben wenig zu essen, ständig Angst.“ Seine Eltern halten ihn vom Irak aus auf dem Laufenden.
Alyas Matinki zieht das Plakat straffer. Hält es fest gegen den Wind. Fast schon symbolisch. Er ist mit zwei Familien zum Teich gekommen. Insgesamt 18 Personen. Sie zeigen ihren Protest. Bitten um Solidarität. Mehr könne man im Moment nicht tun, sagt er.
In Schwerin leben schätzungsweise 400 bis 500 Kurden, sagt Rezi Sabir. Gekommen sind an diesem Nachmittag ungefähr 100. Mit ein paar mehr hat er schon gerechnet. Im Vorfeld war von 150 bis 200 die Rede. Rezi Sabir hat in den vergangenen Wochen schon oft protestiert. In Kiel. Berlin. Lübeck. Jetzt hat er die erste Demonstration in Schwerin mitorganisiert. In zwei Wochen gibt es vielleicht noch eine.
Der Strom ist weg. Das Megafon streikt. Viel sagen wollte ohnehin niemand. Als der Strom wieder will, eine kurze kurdische Ansprache. Dann nimmt ein Mädchen das Mikrofon. Seit mehr als drei Wochen werde Kobane, eine Stadt an der syrisch-türkischen Grenze, von Anhängern der Terrormiliz angegriffen, erzählt sie auf deutsch. „Um ein zweites Sengal zu verhindern, kämpfen die Volksverteidigungseinheiten der YPG in einem asymmetrischen Kampf gegen den Islamischen Staat.“ Sie und die anderen Demonstranten fordern ein gemeinsames Handeln gegen die Terrorgruppe. Dann werden sie wieder still.
Ekrems Familie kommt aus Kobane. Seine Eltern und Geschwister sind in die Türkei geflohen. Dort aber nicht wirklich in Sicherheit, sagt er. „Als Kurden können sie in der Türkei kaum auf Hilfe hoffen.“ Außer von anderen Landsleuten.
Anderthalb Stunden stehen die Männer, Frauen und Kinder im Oval am Südufer des Pfaffenteichs. Ein paar Meter abseits, vor dem Innenministerium, fünf Polizeiwagen. Für den Ernstfall. Anders als in Hamburg tritt er nicht ein. Halb vier löst sich der Protest auf. So still, wie er begann.