Abgesoffen, aber nicht untergegangen

  • Sylvia Kuska
    Sabine Nötzelmann hat sich nach der Überschwemmung nicht unterkriegen lassen.
An diese Bilder erinnern sich noch viele Schweriner: Wasser aus einem Rohrbruch überschwemmt vor knapp einem Jahr die August-Bebel-Straße am Pfaffenteich. Besonders schlimm erwischte es dabei einen Kosmetiksalon. Die junge, damals schwangere Inhaberin stand vor den Trümmern ihrer beruflichen Existenz. Wir wollten wissen: Wie geht es ihr heute?
28.02.2014
Sylvia Kuska

„Sind Sie die Abgesoffene?“ Wenn Sabine Nötzelmann ihren Namen nennt, dann passiert es auch heute noch, dass sie Sätze wie diesen hört. Beim Arzt etwa. Oder beim Friseur. Die anderen haben dann Bilder vor Augen, die die 33-Jährige am liebsten aus ihrer eigenen Erinnerung streichen würde. Bilder von einer überfluteten Straße, von einem Kosmetiksalon, in dem das Wasser gut 30 Zentimeter hoch steht, und einer schwangeren Geschäftsfrau, die vielleicht vor den Trümmern ihrer Existenz steht. Sabine Nötzelmann ist dann stets aufs Neue überrascht, dass sich so viele fremde Menschen auch heute noch an ihr Schicksal erinnern.

Anzeige

Foto: Privat

Fast ein Jahr ist es her, als eines der Wasserrohre in der August-Bebel-Straße bricht. Das Wasser überspült am 19. April die Fahrbahn zwischen Körner- und Friedrichstraße. Die Treppe, die zu dem kleinen Salon im Souterrain führt: ein willkommener Abzweig. Einen Meter hoch staut sich das Wasser an der Ladentür. Sie hält dem Druck stand, das Wasser aber nicht auf.

Es ist 20 Uhr. Familie Nötzelmann ist nach einem anstrengenden Renovierungstag im Geschäft gerade zu Hause angekommen, die Farbe an der Decke im Laden noch nicht getrocknet, als das Wasser die Arbeit der vergangenen Tage wegspült. Es sei so schlimm wie nie, hört Sabine Nötzelmann am Telefon ihren Vermieter sagen.

Die Kosmetikerin ist Wasser erprobt. Schon mehrmals habe sich Wasser aus übergelaufenen Gullys in ihrem Laden breitgemacht. Meistens freitags. Meistens so, dass es sich bis montags problemlos wieder wegwischen ließ. Was sie nun vorfindet, übersteigt ihre Vorstellungskraft. „Totalschaden“, lautet das Urteil der Gutachter in Bezug auf Sabine Nötzelmanns Inventar. Die gesamte Kosmetik stand der Renovierung wegen verpackt in Kisten auf dem Boden.

Nach dem ersten Schock ist für die Kosmetikerin klar, den Laden auf jeden Fall an diesem Standort wieder zu eröffnen. Rückhalt und Zuspruch findet sie in ihrer Familie. Aber auch bei Kunden, die ihr Mut machen und Hilfe anbieten.

In den kommenden Wochen kann sie selbst für ihren Laden nicht viel tun. Außer ihre Kunden anrufen, um Termine zu verschieben und um Verständnis zu bitten. Viele haben es. Manche nicht.  Ihre drei Angestellten schickt sie statt zum Arbeitsamt zur Weiterbildung. Sechs Wochen lang geben sich die Handwerker die Klinke in die Hand. Sabine Nötzelmann, damals im fünften Monat schwanger, koordiniert und rotiert. Versucht, alles nicht zu dicht an sich und ihr ungeborenes Baby heranzulassen.

Rückblickend habe sie viel Glück im Unglück gehabt. Die Versicherung ersetzt den Schaden, zahlt sogar einen Vorschuss, damit sie zügig neue Ware bestellen und ihre Angestellten bezahlen kann. Ihr Vermieter bietet ihr unkompliziert Räume an, in denen sie die neuen Sachen lagern kann. Auch ihre Familie ist immer zur Stelle, wenn Not am Mann ist. „Dafür bin ich sehr dankbar.“

Nach sechs Wochen ist es geschafft. Die Wände sind trocken, die Elektroleitungen verlegt, die neuen Rigipswände stehen an ihrem Platz, alles ist frisch gestrichen. Am 1. Juni eröffnet sie ihren Laden wieder. Auch ihre Schwangerschaft verläuft weiter gut. Im September kommt ihr Sohn zur Welt. Bis dahin hatte sie sich oft gefragt, ob die stressige Zeit bei ihm Spuren hinterlassen würde. Und? „Ich habe das entspannteste Baby bekommen, das man sich nur wünschen kann.“