Schwerins verrückte halbe Stunde

  • Alltag am Morgen: Das Video zeigt exemplarisch die Situation an Schwerins Schulen. 30 Minuten im Zeitraffer, aufgenommen vor den Winterferien.
Alex* hat es nicht weit, 150 Meter sind es bis zur Heinrich-Heine-Schule. Er geht zu Fuß. Um 7 Uhr verlässt er das Haus, um 7.25 Uhr muss er im Klassenraum sein. 25 Minuten für 150 Meter? Der Junge trödelt nicht, er ekelt sich vor den Abgasen der Autos. Er will ankommen, bevor Schwerins verrückte halbe Stunde beginnt.
28.01.2014
Matthias Hufmann

Auch in der Schelfstadt bringen viele Eltern ihre Kinder mit dem Wagen zur Schule. Sie parken so nah wie möglich, manchmal in zweiter Reihe - und wenden in engen Straßen, um den Rückweg abzukürzen. All das lässt sich an fast jeder Schule beobachten. Montags bis freitags. Erst um 7.45 Uhr kehrt wieder Ruhe ein.

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„Der Druck lässt schnell wieder nach“

Anke Wedlich wundert sich darüber nicht mehr. Sie ist ziemlich resolut, die meisten werden sie noch von Elternabenden kennen. Wer einmal ihren Vortrag gehört hat, dass kein Kind am Spielplatz vorbei auf den Schulhof gefahren werden muss, überlegt sich am nächsten Morgen genau, ob er nicht lieber doch in der Bucht 50 Meter entfernt parkt. Nur: Diesen Vortrag konnte die Polizistin einmal pro Jahr und Schule halten. Mehr nicht. „Der Druck lässt schnell wieder nach“, sagt Wedlich, „die Bequemlichkeit nimmt schnell wieder zu.“ Die Verkehrslehrerin hat inzwischen ihr Einsatzgebiet gewechselt.

Die Probleme aber sind geblieben. Kurz bevor der Unterricht beginnt an der Montessori-Schule, kann es passieren, dass man auf der Graf-Schack-Allee im Stau steht. Und zwar auf der Kreuzung. Gleiches Bild an der Ecke Knaudtstraße und Schelfstraße. Hier sind vor allem die Anwohner genervt von den Lieferanten namens Eltern. Gehalten wird, wo Platz ist vor der Ecolea-Schule, gern auch vor Ausfahrten gleich gegenüber. Dass es im vergangenen Jahr keinen Unfall mit Schulkindern gegeben hat, gehört zu den Überraschungen in der Statistik der Polizei.

40-Meter-Parkzone beantragt

Die Schulen selbst sind einigermaßen ratlos. An der Heine-Schule hat Leiterin Anett König jeden Morgen und über Wochen hinweg Verkehrspolizistin gespielt. Jetzt ist wenigstens der direkte Eingangsbereich eine parkfreie Zone. An der Stensen-Schule in der Feldstadt sind Schülerlotsen im Einsatz, damit die Mädchen und Jungen sicher über die Straße kommen. Der Leiter der Ecolea-Schule hat es hingegen bei der Verwaltung versucht. Björn Freitag stellte Ende August einen Antrag. Sein Wunsch: Eine 40-Meter-Zone, die für das Absetzen und Abholen der Schüler reserviert ist. Morgens um 7.30 Uhr, nachmittags von 15 bis 15.30 Uhr. Mehr als vier Monate brauchte die Stadt für die Absage. „Durch die in diesem Jahr beginnende Sanierung und Umgestaltung der Schelfstraße wird sich die Parkplatzsituation durch die Anlage von Parkbuchten und Begrünung zwar qualitativ verbessern, jedoch quantitativ verschlechtern", heißt es in dem Antwortschreiben vom Januar. Das bedeutet: Das Chaos wird schön anzusehen sein. Vielleicht starten manche Eltern bald um 7 Uhr. Das hätten sie dann mit Alex gemein.

(* Name von der Redaktion geändert)