Weniger Hilfe für Heimbewohner in Lankow

  • Kuska
Wehmut im „Haus Lankow“: Die Senioren in dem Sozius-Pflegeheim verlieren wichtige Bezugspersonen; Personal und Angehörige eine Menge Unterstützung. Grund: Das Projekt „Bürgerarbeit“ läuft aus. Die drei Mitarbeiter rutschen wieder in Hartz IV.
14.06.2014
Sylvia Kuska

Die Nachricht traf die Bewohner des Sozius-Pflegeheims in Lankow aus heiterem Himmel. Sie müssen sich von drei engen Vertrauten verabschieden. Erfahren haben sie es Anfang des Jahres. Nun steht der letzte Arbeitstag bevor. Ende Juni ist Schluss. Dann läuft im Heim des Projekt „Bürgerarbeit“ aus, deutschlandweit im Dezember 2014. 

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30 Stunden pro Woche war jeder der drei Mitarbeiter für die 89 Senioren da. Sie haben sie zu Arztterminen begleitet, mit ihnen im Wartezimmer gesessen. Einmal im Quartal müssen die Bewohner beim Hausarzt ihre Chipkarte einlesen lassen, um Rezepte zu erhalten. Dann sind die „Bürgerarbeiter“ mit den Chipkarten quer durch die Stadt von Hausarzt zu Hausarzt gefahren. Sie sind mit den Senioren spazieren gegangen, haben Brettspiele mit ihnen gespielt, kaputte Prothesen zur Reparatur gebracht. Und damit die Arbeit der Pflegekräfte und des sozialen Dienstes unterstützt. Angehörige entlastet.

Vermittelt wurden sie vom Jobcenter. Für drei Jahre – und damit so lange, wie in derzeit keinem anderen geförderten Projekt. Viel Zeit, um ein enges Verhältnis zu den Senioren aufzubauen. „Sich fremden Menschen zu öffnen, ihnen zu vertrauen, ist für ältere Menschen oft nicht einfach“, sagt Sozius-Sprecherin Annemarie Zander. Die Emotionen unter den Heimbewohnern kochen hoch. Sie sind traurig. Aber auch verunsichert, wer sie nun zum Arzt begleitet. Annemarie Zander versucht, zu beruhigen: „Notfälle, in denen Angehörige das nicht übernehmen können, sind immer abgesichert. Aber es wird schwieriger zu handhaben sein.“

Die Pflegekräfte können die wegfallenden 90 Wochenarbeitsstunden nicht 1:1 kompensieren. Der Pflegeschlüssel bestimmt die Anzahl der Mitarbeiter, ist knapp bemessen und nicht auf solchen Zusatzservice ausgelegt. Die drei Mitarbeiter seien ein Glücksfall für das Heim gewesen. Engagiert, mit Spaß und Einfühlungsvermögen. „Das ist wichtig im Umgang mit älteren Menschen.“

Sozius würde die drei deshalb gern weiter beschäftigen. „Wir bemühen uns, eine Lösung zu finden“, sagt Annemarie Zander. Denn auch die „Bürgerarbeiter“ stehen nun ohne Beschäftigung da, beantragen wieder Hartz IV. Es gebe Überlegungen, sie über andere geförderte Maßnahmen am Haus zu halten. Ob das gelingt, sei noch ungewiss.

Wieso gibt Sozius selbst ihnen nicht eine Perspektive auf dem ersten Arbeitsmarkt? „Dazu müssten sie sich vorher im Bereich der Pflege weiterqualifizieren, denn die Tätigkeit, die sie als Bürgerarbeiter machen, gibt es als Stellenbeschreibung in der Pflege nicht.“ Und dann kommt wieder der Personalschlüssel – und damit Geld – ins Spiel.

Das Pflegeheim in Lankow ist kein Einzelfall. Das Projekt „Bürgerarbeit“ wurde im Juli 2010 eingeführt. Gedacht war es für Langzeitarbeitslose, die nicht in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden können. In Schwerin arbeiten rund 500 Frauen und Männer für 20 oder 30 Wochenstunden bei Vereinen, in Pflege- oder Altenheimen oder anderen gemeinnützigen Einrichtungen. Für die sozialversicherungspflichtige Tätigkeit gibt es maximal 900 Euro brutto. Arbeitgeber erhalten eine Förderung.

Das Projekt ist umstritten. Das Handwerk, etwa, lehnte es ab, sah darin eine Konkurrenz zu Privatfirmen. Befürworter verwiesen darauf, dass die Aufgaben gemeinnützig seien und keine regulären Jobs verdrängen dürften. Während der bis zu drei Jahre dauernden Maßnahme fallen die „Bürgerarbeiter“ aus der Arbeitslosenstatistik – um danach in der Regel wieder Hartz IV zu beantragen. Im Dezember läuft die „Bürgerarbeit“ deutschlandweit aus. Ein Ersatzprogramm gibt es bislang nicht.

Dann müssen eben die Angehörigen der Heimbewohner verstärkt ran!?! Das ist leicht gesagt. „Und für viele auch selbstverständlich“, sagt Annemarie Zander. Job und Wohnort lassen es jedoch nicht immer zu, Arztermine oder ähnliche Wege abzusichern. Deshalb sei die zusätzliche Hilfe ein Glücksfall gewesen. Für Heimbewohner. Pflegekräfte. Angehörige.