
Cornelia Mikolajczyk - eine Frau der Friedlichen Revolution
Jg. 1964
Als sie sieben Jahre alt war, wurde an ihr vor versammelter Schulklasse das Binden des Pionierhalstuches exerziert. Ausgerechnet an ihr, obwohl klar war, dass sie wegen ihrer christlichen Erziehung nicht zu den Jungpionieren gehören würde. Dieses Ereignis hat sich tief in ihre Erinnerung eingebrannt. Sie hatte keinen Platz in einem System, in dem nur der Glaube an den Marxismus-Leninismus als wertvolles Gut galt. „Wir brauchen solche wie dich nicht“, bekam sie zu hören, als sie nicht zum Abitur zugelassen wurde. Dabei wollte sie kein Außenseiterdasein führen. Es waren schwere Konflikte, die sie damals ausstand. Aufgrund ihrer persönlichen Erfahrungen blieb es nicht aus, dass sie sich in der DDR nicht wohl fühlte.
In der kirchlichen Gemeinschaft fand sie hingegen immer stärkeren Halt. 1981 erlernte sie in einem evangelischen Krankenhaus den Beruf der Kinderkrankenschwester und nahm 1988 eine berufsbegleitende Ausbildung zur Katechetin auf. Zu Beginn des Jahres 1989, das älteste Kind sollte in zwei Jahren eingeschult werden, stellten sie und ihr Mann sich die Frage: Wäre ein Ausreiseantrag mit all seinen Konsequenzen die Alternative? Cornelia Mikolajczyk wollte nicht, dass ihre Tochter im sozialistischen Bildungssystem ähnliches erlebt wie sie.
Als sie von der Gründung des Neuen Forums erfuhr, unterschrieb sie noch im September den Gründungsaufruf und arbeitete ab Oktober zunächst im Arbeitskreis Bildung des Neuen Forums in Schwerin mit. Sie setzte sich für ein Schulsystem mit ganzheitlichen Lernmethoden ein, in dem Schülerinnen und Schüler als Persönlichkeiten geachtet werden und Chancengleichheit erfahren.
Ende Oktober hielt sie den Aufruf der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt in den Händen, die bereits am 12. September 1989 in Berlin gegründet worden war und in Schwerin noch nicht Fuß gefasst hatte. Sie war sofort angetan von den dort erhobenen Forderungen. Das konkrete programmatische Konzept zur Demokratisierung von Staat und Wirtschaft, zur Entkoppelung von Staat und Gesellschaft sowie zur ökologischen Umgestaltung zogen Cornelia Mikolajczyk an. Gemeinsam mit anderen begann sie, sich für Demokratie Jetzt zu engagieren und warb in Schwerin für diese Bewegung.
„Wir waren ein kleiner Kreis von zwölf Leuten, der sich damals für einen eigenen Verfassungsentwurf stark machte, plebiszitäre Elemente einforderte und sich um viele kommunale Belange kümmerte“, erinnert sich Cornelia Mikolajczyk.
Aus dem Schatten des Neuen Forums kam diese Bewegung jedoch in Schwerin nie heraus. Demokratie Jetzt hatte auch keine Stimme am kommunalen Runden Tisch. Im Januar 1990 wurde Cornelia Mikolajczyk Sprecherin von Demokratie Jetzt in Schwerin und fuhr zu den landesweiten Delegiertenkonferenzen, später war sie im Leitungsgremium von Bündnis 90. Aus der politischen Arbeit zog sich Cornelia Mikolajczyk zurück, als sich Bündnis 90 zu einer Partei umwandelte.
Nach dem politischen Umbruch in der DDR stillte die Mutter von vier Kindern ihre Sehnsucht nach Bildung. Sie las viele Bücher, nahm
an Fortbildungen teil und studierte Gemeindepädagogik. Heute ist sie Studienleiterin und stellvertretende Leiterin am Theologisch-Pädagogischen Institut der Nordkirche in Ludwigslust.
Das Buch:
Sandra Pingel-Schliemann & Doreen Hilbert: Frauen der Friedlichen Revolution 1989. Zwanzig Porträts aus Mecklenburg-Vorpommern. Herausgeber: Landeszentrale für politische Bildung. Schwerin 2014. ISBN 978-3-9816439-2-3.
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