Die einmalige Doppeldemonstration von Schwerin

  • Hans-Dieter Hentschel
    Das schönste Bild dieses Abends.Der Demonstrationszug in der Kirchenstraße.
Ein Vierteljahrhundert danach. Die NDR-Redakteure Siv Stippekohl und Thomas Balzer haben eine Zeitreise durch die Wendezeit gemacht. Herausgekommen sind Beiträge für Rundfunk und Fernsehen und ein Buch, ein „Atlas des Aufbruchs“. Darin auch Schweriner Geschichte erzählt in Schweriner Geschichten. Wir freuen uns, ein paar Kapitel präsentieren zu dürfen.
09.12.2015
dieschweriner.de

Nach diesem spannungsgeladenen Oktoberwochenende in Schwerin blicken alle am Montag nach Leipzig. Die große Massendemonstration bleibt friedlich. Der 9. Oktober gibt der Bürgerbewegung Auftrieb. Ein Koordinationsausschuss des Neuen Forums entsteht. Die Arbeitsgruppen entsenden Vertreter zu Treffen im Keller der Paulskirche. Am 18. Oktober fällt dort der Beschluss, am kommenden Montag eine Kundgebung auf dem Alten Garten zwischen Theater und Schloss zu veranstalten. Was folgt, ist eine in der DDR beispiellose Aktion der SED-Bezirksleitung Schwerin und ihres 1. Sekretärs Heinz Ziegner. Der blasse, abgehobene Apparatschik, so beschreiben ihn Schweriner SED-Kreisleitungsmitglieder später im NDR-Hörfunk, wittert  seine große Karrierechance. Egon Krenz hat Erich  Honecker am 18. Oktober an der Spitze der SED verdrängt. Der hat den Dialog mit dem Volk ausgerufen und die Wende beschworen. Heinz Ziegner fühlt sich bemüßigt, die Demonstration des Neuen Forums zu  kapern, um damit die Meinungshoheit auf der Straße zu gewinnen. Er will am 23. Oktober zur gleichen Zeit am gleichen Ort wie das Neue Forum eine Kundgebung abhalten. Er ruft die Bezirkseinsatzleitung zusammen, im Krisenfall das höchste Parteigremium für die Region. Unter seiner Führung müssen alle Sicherheitsorgane bis hin zu den Kampfgruppen de facto seinem Befehl gehorchen. Militärisch organisiert heißt die Aktion »Offensive«: »Unter maßgeblicher Führung feindlich-klerikaler und weiterer exponierter [Kräfte] des poli tischen Untergrundes planen oppositionelle Kräfte der Sammlungsbewegung Neues Forum zum gleichen Zeitpunkt eine Demonstration mit mehreren Tausend Beteiligten in der Schweriner Innenstadt mit dem Ziel, die Öffentlichkeit mit den provokatorischen Forderungen des Neuen Forums zur Destabilisierung der Arbeiter- und Bauernmacht zu konfrontieren und eine großangelegte Flugblattaktion durchzuführen.« Der abgehobene Parteifunktionär glaubt tatsächlich, dass es ihm gelingt, das Neue Forum kaltzustellen. Er riskiert eine gewalttätige Konfrontation mitten in Schwerin. Die Bürgerbewegung registriert die Vorbereitungen und sucht nach einer Deeskalationsstrategie. Derweil läuft der Apparat auf Hochtouren. Stasiminister Erich Mielke hat Kenntnis von dem Vorhaben. Die Kampfgruppen der Betriebe sind in Bereitschaft, die SED-Aktion soll unter dem pseudodemokratischen Deckmantel der  Nationalen Front stattfinden, dazu werden alle Blockparteien neben der SED instruiert. Am Wochenende vor dem 23. Oktober wird in der Sport- und Kongresshalle ein Treffen mit Betriebsdirektoren und Verwaltungsleitern abgehalten. Dutzende Busse werden akquiriert und die Betriebsorganisationen der SED aus dem gesamten Bezirk Schwerin mobilisiert. Sie sollen ihre Genossen und leitenden Mitarbeiter mit nach Schwerin bringen. Auf dem Hof der Kasernen in der  Johannes-Stelling-Straße werden LKW mit Schiebeschilden ausgerüstet, wie sie von der chinesischen Führung im Juni bei der brutalen Räumung des Platzes des Himmlischen Friedens gegen Studenten eingesetzt worden sind. In den großen Partei- und Polizeigebäuden der Stadt werden bewaffnete Truppen stationiert. Ein Kompaniechef der Bereitschaftspolizei berichtet von der aggressiven Stimmung im Arsenal am Pfaffenteich, dem Sitz der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei. Unbekannte Uniformierte hätten vereinzelnd gefordert, die Einheit mit Langwaffen, also mit Maschinengewehren, auszurüsten. Die Polizeikommandeure weigern sich, sie bestehen darauf, dass die Ausrüstung mit Polizeipistolen zur Eigensicherung ausreicht. Vertreter des Neuen Forums, die vom ganzen Ausmaß des Gewaltpotenzials nichts mitbekommen, versuchen mit ihren Mitteln einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Sie bemühen sich, ihre Demonstration anzumelden und mit der SED-Leitung über die Nutzung der Lautsprecheranlage zu verhandeln. Das scheitert. Sie schreiben Handzettel, im einzigen evangelischen Kindergarten der Stadt können Kinder auch am Abend abgegeben werden, Kindernahrung wird gehortet. Im Malsaal des Theaters am Rande des Alten Gartens haben die Sympathisanten des Neuen Forums heimlich ein riesiges Transparent angefertigt. Es soll das Erkennungssymbol der Anhänger des Neuen Forums sein.

»Heraus zur Kundgebung« heißt es auf Handzetteln am 23. Oktober an Schweriner Türen und Straßenbahnhaltestellen. Wer da zur Kundgebung aufruft, bleibt unklar, eine Unterschrift tragen die Zettel nicht. Auch von einem Dialog ist da die Rede. Am Nachmittag ist die Schweriner Innenstadt voll. Im Dom und in anderen Kirchen gibt es Friedensgebete. Im gewaltigen Dom  haben sich so viele Menschen versammelt, dass die riesigen Fenster von innen schwitzen. Das Kondenswasser läuft die Wände herunter, als sie singen: »Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum, wenn viele gemeinsam träumen, dann ist das der Beginn, der Beginn einer neuen Wirklichkeit, träumt unseren Traum.« Bodo Henning ist einer von ihnen. Er ist Kirchenältester auf dem Großen Dreesch und Mitglied des Neuen Forums. Er erinnert sich an die Worte seines Pastors: »›Wundere dich nicht, wenn du in deiner Firma aufgerufen wirst zur  Demonstration.‹ Das konnte ich gar nicht deuten. Danach konnte ich das deuten.« Im Dom hat sich herumgesprochen, dass es auf dem Alten Garten eine Gegenveranstaltung der SED geben soll. Viele Besucher des Friedensgebets gelangen gar nicht erst auf den Alten Garten, der Weg wird ihnen durch die Menschenmassen versperrt. Ob das eine geplante Aktion der SED-Gefolgsleute ist, bleibt im Dunkeln. Die etwa 3000 Menschen versuchen auf einem anderen Weg zum Alten Garten zu kommen.

Der Platz zwischen Schloss und Theater ist zu  einem Drittel mit Menschen besetzt, als die Sympathisanten der Bürgerbewegung gegen 17:00 Uhr dort zusammenkommen. Über die Schlossbrücke strömen die Claqueure, am Rande des Schlossparks stehen die  Busse, die aus vielen Kreisen des Bezirks die linientreuen Massen herangefahren haben. Heinz Ziegner und seine Untergebenen von der Nationalen Front ste
hen auf einer provisorischen Bühne. Anders als bei den Aufmärschen, die er hier zu anderen Anlässen verantwortet, steht seine Bühne gleich unterhalb des SED-Bezirksleitungsgebäudes vor der Siegessäule und nicht auf der Freitreppe gegenüber. Dort steht das Neue Forum. Wenige Minuten später ist klar, dass mehr Anhänger der Bürgerbewegung den Alten Garten bevölkern als SED-Gefolgsleute. Das Neue Forum darf nicht auf der Bühne sprechen. Von Pfiffen und Sprechchören begleitet schreit Heinz Ziegner mit sich überschlagender Stimme: »Eines sei jedoch ebenso klar hier gesagt: Für Ratschläge, die darauf zielen, den Sozialismus zu beseitigen, haben wir weder Zeit noch Ohr!« Während Ziegner seine Art des Sozialismus und des Dialogs mit dem Volk von der Bühne herunterschreit, geben die Theaterleute das Zeichen für den Beginn der Demonstration durch die Stadt. Hinter ihrem Transparent vom Neuen Forum »Dialog statt Kampagne« verlassen Tausende den Alten Garten. Auch ein erheblicher Teil der in Bussen herangefahrenen Menschen aus den umliegenden Kreisen schließt sich dem Zug der Bürgerbewegung an. Bodo Henning sagt: »Eigentlich hat die Partei uns in die Karten gespielt, dadurch, dass sie auch aufgerufen hat zur Demo. So konnten viele Genossen, die auch unzufrieden waren, ganz ohne schlechtes Gewissen beim Neuen Forum mitgehen.« Bereits nach wenigen Hundert Metern kommt den Demonstranten in der Werderstraße ein Zug entgegen. Nach einer Schrecksekunde stellt sich heraus, dass das die Besucher des Friedensgebets aus dem Dom sind. Sie reihen sich ein und marschieren in die Schelfstadt. Für einen Pressefotografen von der Schweriner Volkszeitung sollte dieser Tag einen

Wendepunkt in seinem Leben bedeuten. Hans-Dieter Hentschel erfährt während seiner Arbeit bei der Zeitung der SED-Bezirksorganisation, die in allen Kreisen stark verbreitet ist, wie groß die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Parteilinie ist. Er legt Wert auf die Feststellung, dass er mit Kirche und Opposition bis  dahin nichts zu tun hat. An diesem 23. Oktober fotografiert er, wo er nur kann. Er klettert auf Stromkästen, er lässt sich kritisch befragen, für wen er denn nun hier fotografieren würde – all das hält ihn nicht ab. Er begleitet den Demonstrationszug und fotografiert vom Fuße der Schelfkirche aus hinunter in die Kirchenstraße, »der Himmel war noch hell, wie man sieht. Man musste ziemlich lange belichten. Hier stand irgendein Schild, da habe ich die Kamera dagegengehalten. Dadurch hält man das ruhig. Und dadurch entsteht auchdiese Unschärfe, die die Bewegung auch schön zeigt, die Menschheit bewegt sich […]. Dieser Blick hier, unvorstellbar war das für mich, mir standen die Tränen in den Augen. Dass es so was gibt in Schwerin, so viele Massen, die sich bekennen, zu einer neuen Sache, man wusste ja noch nicht, was daraus wird. Das alles war so friedlich und freundlich. Die Atmosphäre hat mich echt beeindruckt.« Das Foto zeigt so deutlich, was in jenen Wochen in den Städten der drei Nordbezirke symptomatisch ist: links und rechts abgeplatzte Fassadenecken, ein Grau, das durch die Tageszeit noch grauer ist; Menschen mit Kerzen so dicht gedrängt, dass man die Dynamik dieses Marsches erahnen kann. Roland Regge Schulz, er arbeitet im Schweriner Klement-Gottwald-Werk, verbindet eine ganz besondere Erinnerung mit dem Foto. »Morgens kamen erst die Kollegen, die beim Neuen  Forum waren, und fragten, ob ich mit zum Marschieren komme. Dann kam der Gewerkschafter und fragte: ›Ihr geht doch wohl nicht mitmarschieren?‹ Dann kamen wieder die vom Neuen Forum – es war ein irrer Tag. In den Dom bin ich nicht mehr hineingekommen, sodass ich zum Alten Garten gegangen bin. Dort habe ich mich dann eingereiht.« Der Demonstrationszug führt direkt an seinem Mietshaus vorbei, vor dem er sein Motorrad abgestellt hat: »Das Foto zeigt so schön die Menge der Menschen. Da habe ich gewohnt in der Kirchenstraße.« Er lacht und deutet mit dem Finger auf ein Gründerzeithaus in der engen Straße. An dieser Stelle zeigt das Foto Hunderte Menschen, die dicht gedrängt über die Straße und die Gehwege laufen – bildfüllend. Hier ist sein Motorrad geparkt. Angst hat Roland Regge Schulz nicht um seine Maschine: »Ich hatte ganz andere Ängste an dem Abend. Aber ich habe mich sehr gewundert, als ich nachts zurückkam, dass da nichts war, nicht mal der Rückspiegel war verdreht. Nur eine leere Flasche war angelehnt worden. Das ist doch ein Wunder.« – Und das, obwohl sich hier durch die Schelfstadt etwa 45 000 Menschen an dem Motorrad vorbeigeschoben haben, ein Beweis für die Friedfertigkeit, mit der das Volk durch Schwerin gezogen ist.

Der Demonstrationszug schlängelt sich durch die engen Straßen zum innerstädtischen Pfaffenteich, der einen Umfang von etwa 1,7 Kilometer hat. Auch Bodo Henning kommt hier vorbei: »Ich kann das bestätigen, als die Einen um den Pfaffenteich herum waren, da  kamen die Letzten dort erst an. Es war schon gewaltig, wenn man bedenkt, was wir mit unserer kleinen Kerze für eine Kraft hatten!« Am Arsenal, dem Sitz der Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei, stellen Hunderte ihre Kerzen ab. Auf den Fotos sind die durch Ruß verdunkelten Fassadenteile zu sehen. Der Fotograf Hans-Dieter Hentschel will keinen Augenblick ver passen und hat seine Eindrücke noch genau parat, »dass die Leute aus den Fenstern geguckt haben, und auch ältere Leute, und hier gewinkt haben, und man gesehen hat, dass sie sich gefreut haben, dass etwas passiert«. Der Fotograf wird an diesem Abend Teil der Geschichte: »Es ist nicht nur eine schöne Erinnerung, sondern das war mehr. Für mich war das auch ein Aufbruch, ich habe zuerst einmal bei der Schweriner Volkszeitung aufgehört und frei gearbeitet, was auch seine Tücken hatte. Es war ein Schnitt im Leben, auch fami- liär, es war schon ziemlich viel damit verbunden.« Das Foto ist in der Parteizeitung nicht erschienen. HansDieter Hentschel hat auch nicht damit gerechnet.

Und die SED-Führung um Heinz Ziegner? Die Bühne der Gegenkundgebung hat sich schnell geleert, die Mikrofone sind verschwunden. Mitarbeiter der SEDKreisleitung berichten später im NDR-Hörfunk, der SED-Chef habe sich durch die Blechtür eines Kohlenkellers zurück in die Bezirksleitung verdrückt.

Der Demonstrationszug löst sich aber nicht, wie ursprünglich vorgesehen, am Pfaffenteich auf. Die Türen der Kirchen sind noch geöffnet. Martin Klähn und der Güstrower Bürgerrechtler Heiko Lietz entscheiden spontan, jetzt wieder zum Alten Garten zurückzukehren, um die geplante Kundgebung doch noch durchzuführen. Und viele ziehen mit. So versammeln sich auf dem Platz Tausende. Heiko Lietz hält eine kurze Rede. Das Thema »Dialog« ist ja vorgegeben und so spricht er über die befreienden Möglichkeiten eines wirklichen Dialogs, wie sie im Aufruf des Neuen Forums angedacht sind: »Wir wollen das Bewährte erhalten und doch Platz für Erneuerung schaffen […]. Wir wollen geordnete Verhältnisse, aber keine Bevormundung. Wir wollen freie, selbstbewusste Menschen, die doch gemeinschaftsbewusst handeln.« Mit der Demonstration und der anschließenden Kundgebung verändert sich das Kräfteverhältnis in Schwerin grundlegend. Ab jetzt gehören der Platz und die Straßen den demonstrierenden Menschen. »Wir sind das Volk« wird zur neuen Realität.

Nach der Ansprache wird die Kundgebung für beendet erklärt. Die Türen der Kirchen sind weiterhin geöffnet. Währenddessen läuft in der Aktuellen Kamera des DDR-Fernsehens um 19:30 Uhr ein Kurzbericht über die Schweriner Kundgebung der Nationalen Front. Die Demonstration des Neuen Forums kommt nicht vor. Die Kundgebung erst recht nicht, da sie erst nach Sendezeit stattfindet. Später fordert der Koordinierungsausschuss der Bürgerrechtler eine Richtigstellung. Der Fernsehjournalist entschuldigt sich drei Wochen später in der »Aktuellen Kamera« für diesen Propagandabeitrag.

Auf dem Alten Garten aber stellen sich am Abend des 23. Oktober nur ein paar wenige SED-Funktionäre der Diskussion mit dem aufgebrachten Volk. Später wird in einem städtischen Untersuchungsbericht aufgelistet, dass etwa 245 Pistolenträger in Zivil auf dem Alten Garten unterwegs gewesen sind. Etwa 2000 Demonstranten versuchen, Heinz Ziegner vor dem SED-Bezirksleitungsgebäude zur Rede zu stellen. Sie rufen »Ziegner raus« und »Wir stürmen die Bude«. Kerzen und Transparente werden vor dem Eingang der SED Bezirksleitung aufgestellt. Eine Frau in grauem Kostüm kommt ab und zu aus dem Haus, stößt die Kerzen um und wirft die Transparente von der Treppe. Die Situation droht zu eskalieren. Mit einer vom Theater zur Verfügung gestellten Flüstertüte versucht Heiko Lietz auf den Stufen vor dem Haus die aggressive Menge zu beruhigen. Nach etwa einer Stunde hat er die Menschen beschwichtigt und sie gehen friedlich auseinander. »… und ich war völlig ausgelaugt. Ich bin dann wie so ein ausgewrungener Waschlappen durch die Straßen gezogen. Es hatte mich unendlich viel gekostet, das zu schaffen. Ich hatte es geschafft – mit meiner letzten Energie. Jetzt war ich erst mal am Ende«, berichtet er später im NDR-Hörfunkinterview. Heiko Lietz hat den SED-Bezirkschef im Winter 1989/90 noch einmal persönlich getroffen. Heinz Ziegner sitzt ab Dezember vier Monate in Güstrow in Untersuchungshaft, wegen Vertrauensmissbrauchs und später wegen Veruntreuung staatlicher Gelder für SED-Zwecke. 1996 wird er freigesprochen. Heiko Lietz erzählt, er habe 1989 sehen wollen, ob Heinz Ziegner wirklich in einem DDR-Gefängnis sitzt. Der entmachtete SED-Funktionär habe sich über die Haftbedingungen in Güstrow beschwert, erinnert sich Heiko Lietz. Der Bürgerrechtler habe ihn an den 23. Oktober und die brenzlige Situation auf der Treppe vor der SED-Bezirksleitung erinnert. Das Gespräch sei sehr kurz und auch schwierig gewesen.  Heiko Lietz hat ihm dann noch Material vom Neuen Forum dagelassen.

Bald nach dieser aggressiven Aktion des Schweriner SED-Chefs wird das aufgefahrene Gewaltpotenzial bekannt. Die Kampfgruppenmitglieder in den Betrieben werden zur Rede gestellt. »Das hat man ja hinterher auch erst erfahren«, erinnert sich Bodo Henning, »wenn wir gewusst hätten, dass da im Marstall die Kampfgruppen liegen. Also es ist gut, dass wir manches nicht gewusst haben.« Der Demonstrationszug sei ja auch am Marstall vorbeigezogen, »und wenn dann einer hinterher gesagt hat, auf dich hätte ich nicht geschossen – ich glaube, dafür muss man sich heute nicht bedanken«.