Eine Reise durch die Bahnhofszeit

  • Stadtarchiv Schwerin
    Das alte Bahnhofsgebäude um 1880 (Bild 1 von 8).
  • Stadtarchiv Schwerin
    Vor 1908
  • Stadtarchiv Schwerin
    Seit 1908 fuhr die Linie 3 zum Bahnhof.
  • Stadtarchiv Schwerin
    Um 1910
  • Stadtarchiv Schwerin
    1925 besuchte Hindenburg Schwerin.
  • Stadtarchiv Schwerin
    So sah es 1958 vorm Bahnhof aus.
  • Stadtarchiv Schwerin
    Blick auf den Güterbahnhof. Jetzt soll daraus ein neues Stadtquartier werden.
  • Stadtarchiv Schwerin
    Erinnern Sie sich noch?
Der Schweriner Hauptbahnhof feiert heute Geburtstag. Es ist der hundertfünfundzwanzigste. Oder doch nicht? Eine Zeitreise in Bildern und Anekdoten.
19.06.2015
Sylvia Kuska

Der Hauptbahnhof wird 125?
Das stimmt nur bedingt. Das heutige Gebäude ist tatsächlich so alt, wurde am 19. April 1890 eröffnet. Davor gab es hier aber auch schon gut 40 Jahre lang einen Bahnhof mit einem großen Empfangsgebäude. Seinen ersten Bahnanschluss erhielt die Stadt 1847 mit der Strecke nach Hagenow.

Alles nur Theater!

Stadtarchiv Schwerin
Das sogenannte Interimstheater stand von 1882 bis 1886 vor dem Bahnhof.

Nanu, ein großes Fachwerkhaus vor dem Bahnhof? Der zirkusartige Bau war ein Theater. Genauer gesagt, ein Ersatztheater. Das „richtige“  - der Vorgänger des heutigen Baus – war im Frühjahr 1882 abgebrannt. Das Holzhaus wurde in drei Monaten vor dem Platz vor dem Bahnhof errichtet und hatte Platz für rund 1000 Besucher. Als es eröffnete, war der Putz an den Wänden noch nicht trocken, schreibt Udo Brinker in seiner Chronik der Stadt Schwerin. Dreieinhalb Jahre wurde hier Theater gespielt.

Zuggucken kostete Eintritt
Stop! Bahnsteigsperre! Jemanden vom Zug abzuholen, das kostete. Zumindest, wenn man direkt auf dem Bahnsteig warten wollte. Dafür brauchte man seit der Jahrhundertwende eine Bahnsteigkarte für 10, später 20 Pfennige. Die musste auch kaufen, wer am Bahnsteig nur mal Züge gucken wollte. Die Bahnsteigsperren standen bis 1960/61.

Großer Bahnhof für Mussolini
Sonntag, 26. September 1937, 6 Uhr morgens. 20, 30 Leute stehen am Bahnhof. Später werden es noch mehr. Verreisen will keiner von ihnen. Sie haben da etwas gehört. Aus ganz sicherer Quelle. Der Vetter in Ludwigslust, der sagte das auch. Ja, ja, ganz bestimmt. Zwischen sieben und halb acht. Vielleicht. Sicherheitshalber sind alle in bisschen früher gekommen. Sie wollen ihn nicht verpassen. Ihn – Benito Mussolini. Seit 1925 stand er als Diktator an der Spitze des faschistischen Regimes in Italien. Nun war gerade in Deutschland. Ein Zug rauscht heran, hält kurz, rollt weiter. Dann ein zweiter. Ein dritter. Italienische Wagen! Sie halten. Alle Rolläden sind geschlossen. Nur ein Abteil ist erleuchtet. „Mussolini“, ruft eine Stimme aus der Menge. Die Absperrungen haben keine Chance. Die Massen drängen ans Fenster. Mussolini schüttelt Hand um Hand. Dann rollt der Zug weiter. Am Abend fährt er noch einmal durch Schwerin. Dann stehen tausende am Bahnsteig. Eine Bahnsteigkarte mussten sie dafür ausnahmsweise nicht kaufen.

Fährt ein Brunnen durch die Stadt...

Das muss ein merkwürdiges Bild gewesen sein, damals 1927.
Der Brunnen „Rettung in Seenot“ stand 16 Jahre lang am Markt, vorm Café Resi. Im Oktober 1911 wurde er aufgestellt. Für Kutscher und Marktfrauen war das eine praktische Sache. Sie tränkten dort ihre Pferde und wuschen darin Obst und Gemüse. Hugo Berwald hatte den Brunnen für den Markt geschaffen. Eine Kaufmannswitwe hatte ihn gespendet in Erinnerung an ihren verstorbenen Mann, einem Gönner der Seenotrettungsgesellschaft. Auf dem Markt stand aber auch noch ein Denkmal von Bismarck. Zwei Denkmäler auf einem Platz – das war in der Praxis dann doch ganz schön viel und eng. Das fand auch Hindenburg nicht gut. Er hielt die Hierarchie von Brunnen, Dom, Säulengebäude und Bismarckdenkmal 1925 für inakzeptabel, schreibt Brinker. Und so reiste der Brunnen zwei Jahre später durch die Stadt zum neu gestalteten Luisenplatz.

Glück im Unglück
Am 7. April 1945 fielen die letzten Bomben auf Schwerin. Die Alliierten wollten den Bahnhof treffen, verwechselten ihn aber mit dem Straßenbahndepot in der Wallstraße, schreibt Peter Falow in seinem Buch „Schwerin und sein Bahnhof“. Das Depot und etliche Wohnhäuser wurden zerstört. Mehr als 200 Menschen starben.

Ein Platz, vier Namen
Ab 1841 hieß der Platz vor dem Hauptbahnhof Luisenplatz, ab 1933 Hindenburgplatz, ab 1945 Bahnhofsplatz. Seit 1947 heißt er Grunthalplatz.

Willkommen und Abschied
Das sagt die Statistik zu den Reisenden:
1848: 88.000 Reisende im Jahr
1889: 418.000
1913: 1,25 Millionen
1925: 1,8 Millionen
Heute sind es mehr als 3 Millionen. 

Bahnhof des Jahres

Sylvia Kuska
Panorama-Aufnahme

Diesen Titel erhielt der Schweriner Hauptbahnhof 2008 in der Kategorie „Stadt unter 100.000 Einwohner“. „Außen fast so schmuck wie das Schweriner Schloss, innen ein serviceorientierter Treffpunkt für Reisende und Besucher – diese Mischung hat es auch der „Bahnhof des Jahres“-Jury angetan“, hieß es damals in der Pressemitteilung dazu. „Hier ist alles hell, einladend und übersichtlich. Auch wer nur selten Bahn fährt oder ortsfremd ist, findet sich in Schwerin Hauptbahnhof schnell zurecht.“ Vergeben wird der Titel jedes Jahr von der Allianz pro Schiene.

(Quellen: Udo Brinker: Chronik der Stadt Schwerin: von den Anfängen bis zur Gegenwart; Peter Falow: „Schwerin und sein Bahnhof“, Mecklenburgische Zeitung vom 27. September 1937)