Schwerin im Bombenhagel

  • Hans-Dieter Hentschel
Der Krieg ist fast vorbei, als er auch Schwerin trifft. Amerikanische Flieger sollen den Güterbahnhof zerstören – und bombardieren die Feldstadt. Jener 7. April 1945 hat bis heute Spuren hinterlassen. Besonders deutlich im beigen Putz der Wallstraße 46.
07.04.2016
Sylvia Kuska

Als sich die 182 amerikanischen Flieger an jenem Samstagmorgen in Südengland auf den Weg machen, ist Schwerin Plan B. Der Flugplatz in Parchim, er hat Priorität. Die meisten Bomben schlagen zielgenau dort ein. Doch dann bedeckt sich der Himmel. Und auch das Bodenradar zeichnet den verbleibenden 48 Fliegern vom Ziel „nur ein Hell-Dunkel-Bild von der Größe eines Bierdeckels“, schreibt Bernd Kasten in seinem Buch „7. April 1945 – Bomben auf Schwerin“. Damit aus 4.000 Metern Höhe ein militärisches Ziel genau zu treffen – unmöglich.

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Aber: „Bomber nahmen ihre Fracht niemals wieder mit zurück nach Hause.“ Weil der Treibstoff dann nicht bis zurück reichen würde. Weil es zu riskant wäre, mit ihnen zu landen. „Und nicht zuletzt waren die Flieger entschlossen, wenn sie schon ihre Fracht den langen gefahrvollen Weg vorbei an deutschen Jagdgeschwadern und Flakgeschützen in das Herz de Feindes gebracht hatten, damit unbedingt auch irgendwelchen Schaden anzurichten“, schildert der Historiker und Stadtarchiv-Leiter in seinem Buch. Deshalb gibt es Plan B. In dem Fall den Schweriner Güterbahnhof.

Die Bomben treffen Schwerin aus heiterem Himmel. Als gegen 13 Uhr Fliegeralarm ausgelöst wird, reagieren viele nicht darauf. „Die Einwohner waren das Sirenengeheul gewöhnt“, schreibt Kasten. Seit 1943 habe die Stadt fast täglich auf Flugrouten von Bombern gelegen. „Nie war etwas passiert. Bei jedem Alarm in den Keller zu gehen, erschien vielen als unnötig.“

Binnen 12 Minuten fallen knapp 1500 Sprengbomben – fast zwei Kilometer weit weg vom Güterbahnhof. Warum? „Das lässt sich heute nicht mehr klären.“ Dass die Piloten ihn mit dem Straßenbahndepot in der Wallstraße verwechselt hätten, hält Historiker Kasten aber für ausgeschlossen, auch wenn diese Vermutung immer wieder geäußert werde. Karten und Luftbilder seien eindeutig gewesen, die Sicht anders als in Parchim klar. „Die Flugzeuge hätten nur dem Verlauf der Gleise bis zum Güterbahnhof im Norden der Stadt folgen müssen.“

Gänzlich verschont geblieben ist der Güterbahnhof aber nicht. An diesem Nachmittag gehen auch dort noch 304 Bomben nieder.

Die Bilanz des Bombenhagels: Mehr als 200 Tote, unzählige Verwundete. Mehr als 40 Häuser werden zerstört, mindestens doppelt so viele beschädigt.

Der Angriff hat bis heute Spuren in der Feldstadt hinterlassen. In Fassaden. Als Baulücken. Und unter der Erde: Der bislang letzte gefundene Blindgänger wurde 2012 entschärft.

Buchtipp:

Bernd Kasten (Herausgeber): 7. April 1945 – Bomben auf Schwerin. Thomas Helms Verlag, 2. überarbeitete Auflage 2015. ISBN: 978-3-944033-23-5