Vom Vorort zum Zentrum

  • Stadtarchiv Schwerin
    Der Marienplatz um 1900 (Bild 1 von 5)
  • Stadtarchiv Schwerin
    Das fürstliche Armenhaus aus der Zeit um 1699 war das erste Gebäude am Platz.
  • Stadtarchiv Schwerin
    Die erste Herberge am Marienplatz. Als sie 1705 gebaut wurde, hieß sie Karutzenhof. Später Lübecker Hof. Dann Hotel Stadt Lübeck. Heute steht hier Hugendubel bzw. ein Tabakladen.
  • Stadtarchiv Schwerin
    Um 1952
  • Stadtarchiv Schwerin
    Die Helenenstraße - hier eine Aufnahme aus den 50ern - war früher die einzige Verbindung zwischen Vor- und Altstadt. Die Schlossstraße wurde erst 1928 angelegt.
Der Marienplatz ist das Herz der Stadt. Zentral lag er früher auch schon. Vor den Toren Schwerins. Neun Anekdoten über Esel, Schweriner Säcke und geplatzte Konsumträume.
21.10.2015
Sylvia Kuska

Lange Zeit kein Schweriner
Den Platz als Knotenpunkt vieler Wege, den gab's irgendwie schon immer. Bereits vor 2000 Jahren siedelten die ersten Germanen hier. Wenn auch nur für kurze Zeit, sagt Stadtarchivar Rainer Blumenthal. Zu Schwerin gehört der Platz erst seit ungefähr 1820. Vorher lag er vor den Toren der Stadt. Deshalb hieß er auch „Die Vorstadt“ oder „Vor dem Mühlentor“.

Schöner Schein trügte Feinde
Wer in die Stadt wollte, musste durch eines der Stadttore, die eingebettet in mächtige Wehranlagen waren. „Von außen sah es so aus, als würde die Stadtmauer keinen Feind hineinlassen“, sagt Rainer Blumenthal. Dabei sei alles nur Fassade „minderer Qualität“ gewesen. „Selbst die Stadttore, die einen stattlichen Klinkerbau simulierten, waren nur eine billige Fachwerkkonstruktion ohne große Tragfähigkeit.“

Zuspätkommer beleben das Geschäft
Wer zu spät kam, musste vor der Stadt warten, bis sich deren Tore am nächsten Morgen wieder öffneten. Pfiffige Geschäftsleute erkannten Anfang 1700 das Potential. Herberge um Herberge entstand. Dazu Gaststätten. Scheunen. Speicher. Bierbrauer ließen sich nieder. Schmiede. „Alle wollten mitverdienen an den an- und abreisenden Fuhr- und Kaufleuten.“ Da, wo jetzt die Marienplatzgalerie steht, wurde an der Schweriner Kornbörse „erst um den Kornpreis gefeilscht und anschließend im Gasthof das Ergebnis begossen“.

Eselei in der Schlossstraße
Ohne Esel keine Waren in der Stadt. Die Tiere waren einst das häufigste Transportmittel, „um auf wackeligen Brückenbohlen und engen Gassen die Waren rein und raus zu bringen“, so Rainer Blumenthal. Ihr Platz zum Grasen, die Eselswiese, befand sich aus heutiger Sicht links und rechts der Schlossstraße.

Das älteste Haus am Platz

Das erste Haus am Platz war das fürstliche Armenhaus. Es wurde um 1699 gebaut. Hier fanden Schweriner, die zu arm waren, um für sich selbst zu sorgen, Unterschlupf. Das Fachwerkhaus stand bis in die 1980er-Jahre. Das älteste heute noch stehende Haus ist die Apotheke am Marienplatz aus dem Jahr 1853. 

Schweriner Säcke bestimmten das Maß
Wer in der Stadt Mehl verkaufen wollte, kam nur durch die Stadttore, wenn die Säcke dem Schweriner Maß entsprachen. Das war deutlich kleiner als üblich: Aus einem normalen Sack wurden drei Schweriner Abpackungen, so Rainer Blumenthal. Das war keine rückenschonende Maßnahme für diejenigen, die das Mehl tragen und verarbeiten mussten. Das war schlichtweg Geldschneiderei bei den Kaufleuten: An drei Säcken verdiente die Stadt mehr als an einem.

Der Verkehr verknotet sich

Zwischen Droschken und Fuhrwerken tuckerten die ersten Autos. 1908 fuhr die erste Straßenbahn über den Platz. Binnen weniger Tage gingen drei Linien an den Start. Mitten auf dem Platz stand ein steinernes Wartehäuschen. Man nannte es auch Wärmehalle. Hier konnten Fahrgäste im Trockenen auf die Bahn warten und Obdachlose sich wärmen. Heute halten die Glaswartehäuschen weder warm noch bei Regen trocken.

Her mit der Marie
Der Verkehrsknotenpunkt hatte im Laufe der Jahre mehrere Namen: Die Vorstadt und Vor dem Mühlentor. Auch Kuhhof – weil die städtische Kuhherde dort untergebracht war. Oder „Platz vor dem Armenfriedhof“, in Bezug auf die Ruhestätte an Stelle der heutigen Schweriner Höfe. Ab 1850 war die Schwester von Großherzog Paul Friedrich Namenspate. Nach Hitler und Lenin war er ebenfalls benannt. 1990 hieß es dann wieder her mit der Marie.

Keine Marienplatzgalerie des Ostens
Pläne, auf dem Areal der heutigen Marienplatzgalerie ein großes Kaufhaus zu bauen, habe es schon zu DDR-Zeiten gegeben, sagt Stadtarchivar Blumenthal. Das Problem: „Damals hatten wir genug Geld, aber es gab zu wenige Waren.“ Auch die Denkmalpflege sei gegen einen Bau gewesen. Also wurden die Pläne begraben.