Bei den Hartmanns gibt’s oft Theater
Wer Lutz Hartmann nicht näher kennt, findet an seinem Schnurrbart nichts Ungewöhnliches. Für seine Frau Silvia ist es die Länge. Sie mag seinen Drei-Tage-Bart lieber. So, wie er ihn an Wange, Hals und Kinn trägt. Und sonst auch über der Oberlippe. Doch was muss, das muss. Und die Elitesoldaten müssen nun mal einen deutlichen Schnauzer tragen. Einen, der länger als drei Tage steht. Oder angemalt wird. So will es Regisseur Georg Rootering. Und zu Schminke greifen wollte Lutz Hartmann nicht.
Ehefrau Silvia hat da keine Wahl. Ihr wird der Bart aufgemalt. Dass der Regisseur kein Problem damit hatte, die Rolle der Soldaten auch mit Frauen zu besetzen, ist ihr Glück. Frauen werden viel seltener als Statisten gesucht, sagt sie.
Im Sommer einen lauen Abend mit den Hartmanns zu verbringen, ist für ihre Freunde nicht leicht. Am einfachsten wäre es wohl, wenn sie sich eine Karte für die Schlossfestspiele kaufen. Lutz Hartmann steht bei allen 23 Vorstellungen auf der Bühne. Für seine Frau sind es ein paar weniger. Sie wechselt sich mit anderen Laien ab.
Theater sucht männliche Statisten für die Musketiere. Ein paar Zeilen in der Zeitung brachten die Hartmanns einst jenseits der Zuschauerplätze mit dem Theater zusammen. Seine Frau las den Aufruf. Lutz Hartmann ging hin. Bauer, Aussätziger, Musketier und Hofherr – fliegender Rollenwechsel bei seiner Statistenpremiere im Schlossinnenhof. Am Anfang stand für ihn über allem ein Prinzip: Der Bart kommt nicht ab. Auch nicht für den Hauptmann von Köpenick. Inzwischen würde Lutz Hartmann für „seine“ Statistenrollen alles tun. Glatze? Kein Problem. Bart ab? Los geht’s! So wurde er später doch noch Soldat beim Hauptmann von Köpenick.
Nabucco, Eugen Onegin, The Producers, Tannhäuser, Dead Man Walking, Der Freischütz, Coppélia, diverse Weihnachtsmärchen, Carmen, Don Giovanni ... Zehn Finger reichen nicht, um die Stücke zu zählen, in denen die Wittenfördener seither mitgespielt haben. Allein. Gemeinsam. Auch auf der Bühne als Paar. Als Teil der Menge. Oder im Szenenfokus. Urlaub? Der richtet sich nach dem Spielplan. 60. Geburtstag? Den verbrachte Lutz Hartmann vor wenigen Tagen auf der Bühne und danach hinter den Kulissen.
Können sie die Verdis „Nabucco“ nach so vielen Auftritten überhaupt noch hören? „Aber sicher doch! Jeden Morgen zum Frühstück!“
Wieder ist ein langer Bühnenabend zu Ende. Für die Hartmanns ist es kein Problem, bis Mitternacht im Theater zu sein. Er ist seit ein paar Monaten in Rente. Sie hat Gleitzeit und einen toleranten Arbeitgeber. Silvia Hartmann zieht ihr Kostüm aus, wischt den Bart ab. Ihr Mann muss sich noch ein bisschen gedulden. Er kann erst in einer Woche zum Rasierer greifen. Wenn der letzte Vorhang für Nabucco gefallen ist.
Weitere Nabucco-Termine
31. Juli, 1. und 2. August, jeweils 21 Uhr; 3. August: 17 Uhr