Eine absolute Schnapsidee

  • dieschweriner.de
    Mario Lars, Berlin, Babylon, Sonntagmorgen um 5.27 Uhr
Morgens um 5 Uhr auf die Bühne ist schon sehr speziell. Sonntagmorgen noch spezieller. Gut 40 Leute hören und gucken zu, wenig für den großen Saal, okay für eine Lesung, viele für diese Zeit, genug, um richtig Spaß zu haben.
09.09.2015
Roland Regge-Schulz

Es war eine Schnapsidee von Hauck & Bauer. Cartoonisten sind die beiden, Freunde, Irre. Eine solche Idee haben, ist ja schon seltsam, dann aber auch noch Geld dafür zu sammeln und die Idee umzusetzen, ist schon total abgefahren. Ein 24-Stunden-Cartoon-Festival ist es geworden. Einzigartig in der Welt. 24 Live-Shows in 24 Stunden. Nonstop Nonsens.
Das Programm liest sich wie das Who ist Who der deutschen Cartoonistenszene. Hauck & Bauer natürlich, Ralf König („Der bewegte Mann“),  der Satiriker Martin Sonneborn, Frühstück-bei-Stefanie-Zeichner Piero Masztalerz, Ari Plikat und Polo, Til Mette vom Stern, Rattelschneck und Ol und und und... Und morgens um 5 Uhr, ich als Mario Lars auf der Bühne.

Die Leute haben seit 16 Uhr ihren Spaß. Sie lachen, sie klatschen. Bis sie nicht mehr können und nach Hause ins Bett torkeln. Nur ein Teil hält durch.
Als ich an der Reihe bin, ist das Restpublikum schon ziemlich fertig. Ich auch. Irgendwann in der Nacht habe ich entschieden, gar nicht zu schlafen, mit Zuschauern durchzumachen bis zu meinem Auftritt.
Gerade haben wir noch einmal Sauerstoff getankt, draußen im grauenden Berliner Morgen. Wir haben noch einmal hinübergeblinzelt zur Volksbühne, die schon lange schläft und sind wieder hineingeschlüpft ins Babylon, in dem an diesem Wochenende der Berliner Bär steppt.. Na gut, ein halber Bär. Ein Bärchen ist es nur noch um diese Zeit.
Gut 40 Leute verlieren sich auf den gut 400 Plätzen. Aber sie sind wach. Und gut gelaunt. Immer noch. Zwei junge Frauen lachen sich seit Stunden laut durch die Shows. Ein ansteckendes Lachen. Dankbar für den Vorleser. Riesengroß hinter mir die Cartoons auf der Kinoleinwand. Grandios groß. Ich bin nur ein Pünktchen davor.
Am Ende der Show, nach langer Nacht, fehlt ein bisschen die Kraft. Vom Text, den ich eigentlich im Schlaf aufsagen kann, purzeln die Worte durcheinander. Ich brauche das Manuskript. Das Mikrofon und die Bilder-Fernbedienung wollen auch gehalten werden. Die Haare fallen ins Gesicht. Irgendwie fehlt immer eine Hand. Und so stolpere ich letztendlich unzufrieden mit mir von der Bühne. Das Publikum hats gar nicht gestört. Im Gegenteil.
Wieder draußen, noch einmal ein bisschen frische Luft tanken. Jetzt geht es wieder. Durchhalten. Hannes Richert und Sebastian Menschenmoser nach mir auf der Bühne haben es verdient. Die machen Spaß, die beiden. Der Sauerstoffschock reicht nur noch für die halbe Show. Am Ende verschwimmen die Bilder. Ich kann nicht mehr. Keiner kann mehr. Rien ne va plus.
Ich drücke Sperzel für seine Show noch schnell die Daumen. Sonntagmorgen um 7 Uhr ist eine noch viel speziellere Zeit. Ab 8 Uhr geht es aufwärts, kommen die ersten wieder aus den Betten gekrochen.
Ich frühstücke noch schnell, um danach schlafen zu gehen. Verkehrte Welt. Ein paar Stunden später sitze ich wieder im Babylon. Kollegen gucken. Die jungen Frauen lachen immer noch. Unbezahlbar die beiden!
Am Ende sind alle fertig. Die Augen tränen, leichter Rauch steigt aus den Ohren. Der Arbeitsspeicher im Kopf ist überfüllt. Das wird Tage dauern, das alles auf die Festplatte zu speichern oder zu vergessen.

Es gibt ja Gründe, wenn etwas weltweit einzigartig ist.
Das 24-Stunden-Cartoon-Festival war eine absolute Schnapsidee.
Und wenn es das noch einmal gibt, ich bin auf jeden Fall wieder dabei.

Weitere Artikel