Ene mene Müller, ein Stillleben ist der Knüller

  • Hans Dieter Hentschel
    Christoph Müller in Aktion: Wenn der Kunstsammler die Besucher persönlich durch die Ausstellung führte, war er ganz und gar in seinem Element.
Der „Kosmos der Niederländer“ zog die Besucher in Scharen ins Museum. Fast 15.000 Leute wurden gezählt. Gestern ging die Ausstellung zu Ende. Mit der Wahl des Lieblingsbildes der Besucher, die auch den Kunstsammler Christoph Müller zufrieden stimmte.
16.02.2014
Sylvia Kuska

Sein Lieblingsbild? Christoph Müller legt sich nicht fest. Da kann er noch so oft danach gefragt werden. Im Grunde sei jedes Gemälde aus seinem „Kosmos der Niederländer“ einmal sein Lieblingsbild gewesen, zumindest in dem Moment, in dem er es gekauft habe.Die Besucher seiner Ausstellung hatten dagegen eine eindeutige Meinung. Zumindest diejenigen, die diese auf den ausliegenden „Ene mene Müller – Welches ist Ihr Knüller“-Zetteln kundtaten. Ihr Lieblingsbild ist das Stillleben mit den farbenfrohen Blumen und Früchten von Joris van Son. Jenes mit dem Namen „Blumen und Früchte um eine steinerne Kartusche“. Christoph Müller ist damit „sehr einverstanden“. Und hatte es geahnt. Spielte es doch eine zentrale Rolle in seinen Führungen.

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Dabei hatten die Besucher durchaus die Qual der Wahl. 155 niederländische Gemälde hatte der Kunstsammler in den vergangenen 28 Jahren gesammelt. Sein Interesse galt dabei nicht den bekannten Namen. Er richtete seinen Blick vielmehr auf die Vielfalt der niederländischen Malerei. Auf die Fülle der Meister, Stile und Epochen. Fündig wurde er in erster Linie auf Auktionen. Über viele Jahre hing die größte deutsche Privatsammlung niederländischer Altmeisterkunst in der Berliner Wohnung des gebürtigen Schwaben. Bis er sie dem Schweriner Museum schenkte.

„Was sehen Sie?“ Schon in dem Moment, in dem er die Frage in seinen Führungen stellt, weiß Christoph Müller, spätestens nach dem zweiten Wort sagt er „falsch“. „Alles andere wäre eine Überraschung.“ Dabei scheint die Antwort so einfach: Zwei Kinder und eine schlafende Mutter. Das hatte er erwartet. „Schon falsch.“ Er meint es nicht böse oder belehrend, sondern lenkt den Blick des Betrachters auf die Details. Die Frau auf dem Gemälde kann nicht die Mutter sein. Sie trägt Dienstkleidung, ist also Amme. „Statt die Kinder zu füttern, pennt sie einfach.“ Das wird ein böses Erwachen geben. Und so erzählt jedes Bild seine ganz eigene Geschichte. Und Christoph Müller seine Geschichten über die Geschichte.

Es ist seine lockere, humorvolle Art, fernab von trockener Kunsttheorie, mit der er bei seinen Führungen eine Verbindung zwischen seinen Bildern und den Besuchern schafft. Drei, vier Stunden lang. Denn unter zwei Stunden macht er sich gar nicht erst auf den Weg durch seine Sammlung. Am Ende kennen seine Zuhörer den auffallendsten Unterschied zwischen flämischen und holländischen Gemälden, wissen sie, dass alle Bilder, auch die Landschaften, ausnahmslos in Ateliers entstanden sind und warum Christoph Müller die Sammlung nicht für viel Geld verkauft hat: „Ich bin kein Händler und brauche kein Geld.“

Für das Museum ist die Schenkung ein Glücksfall, bereichern Müllers 155 Sammlerstücke doch in beispielloser Weise die des Schweriner Museums mit seinen rund 600 niederländischen Gemälden. Das Medieninteresse an der Schenkung war riesig, weit über die Grenzen von Mecklenburg-Vorpommern hinaus. Genau wie die Neugier der Besucher. Was ist das für ein Mensch, der über Jahre hinweg so viele Bilder sammelt – und sie dann verschenkt? Für Museumssprecherin Heidemarie Otto ist das neben den Bildern an sich auch ein Grund dafür, weshalb in den vergangenen vier Monaten knapp 15.000 Besucher in die Ausstellung strömten. Ein Rekordwert. Gerade im Winter, einer Zeit, in der die Touristen in der Stadt eher rar gesät sind.

Mindestens 700 Besucher führte Christoph Müller persönlich durch die Ausstellung. Zuletzt war er fast jeden zweiten Tag in Schwerin. Ein Abschied von den Gemälden auf Raten. Nicht nur deshalb war die gestrige Finissage ein besonderer Moment für ihn. Am Nachmittag ging er ein letztes Mal durch seine Sammlung. Für ihn, so sagt er, ein historischer Moment. Alle 155 Bilder in einer Ausstellung zu sehen, „das werde ich nicht mehr erleben“. Im Obergeschoss des Museums ist nur Platz für die Hälfte von ihnen. Dort werden ab 1. März die Genre- und Marinegemälde hängen, die anderen wandern ins Depot. Bis November. Dann werden sie alle ins Augustinermuseum nach Freiburg gebracht. Bis auf eine Handvoll, die zu anfällig für solch eine weite Reise sind.

Der letzte Ausstellungstag, er dürfte ganz nach dem Geschmack von Christoph Müller gewesen sein. Das Haus war voll, aus Schwerin, der Region, Hamburg, Rostock und Berlin kamen die Besucher nochmal in Scharen herbei, um nah an seinen gesammelten Werken und nah an ihm zu sein.

Jetzt kehrt wieder ein wenig Ruhe ein. Im Museum. Und im Leben von Christoph Müller. Eine neue Leidenschaft hat er schon entdeckt: Jetzt sammelt er Dänen. Und wenn er möchte, kann er „seine" Niederländer natürlich jederzeit besuchen.

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