Neue Serie: Die Kulturratschläge für Schwerin
Rettung, die zweite
Was will die Stadt mit dem Schleswig-Holstein-Haus?
„Schwerin sollte sich entscheiden, ob es das Schleswig-Holstein-Haus will oder nicht“, so ließ sich der Gutachter jüngst im Kulturausschuss der Landeshauptstadt vernehmen. Und wirklich: Derzeit hat unser städtisches Kulturzentrum zum Leben zu wenig und zum Sterben zuviel. Nach der gescheiterten Privatisierung des Hauses vor einem Jahr hat die Bar mittlerweile geschlossen, und der Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb wird seit Monaten unter kommissarischer Leitung notgedrungen konzeptionslos und mit ungewisser Zukunft, unter minimalem Aufwand und mit viel Improvisation gerade so aufrecht erhalten.
Angesichts der Haushaltslage der Stadt steht auch das Schicksal dieser Schweriner Institution wieder auf Messers Schneide. Denn genau vor 25 Jahren, inmitten der friedlichen Revolution, rettete eine solidarische Geste aus Schleswig-Holstein schon einmal das traditionsreiche, barocke Oertzen-Palais vor dem Verfall. Nach Jahrhunderten als Wohnsitz bedeutender Schweriner und als ,Gasthaus für Vornehme' – Gäste der Residenz, flüchtet 1989 die letzte Mieterin vor dem Schwamm, und selbst die Initiative ,Rettet die Schelfstadt' hegt für die Ruine damals keine Hoffnung mehr. Heute wäre der damals großzügig renovierte Bau erneut zu retten, wenn auch nicht mehr in seiner Substanz, so doch in seinem Potential.
Dafür hat das städtische Kulturbüro der Stadtvertretung nun einen Beschlussvorschlag unterbreitet, der auf Basis einer ‚betriebswirtschaftlichen Analyse zur Weiterentwicklung des Schleswig-Holstein-Hauses als Kulturforum’ Mut zum Aufbruch dokumentiert: Mit einem festen Personalstock von 2,5 Stellen für Leitung, Marketing und Verwaltung und einer wirksameren Erschließung des Vorhofs zur Puschkinstraße hin, sollen in Kooperation mit lokalen Partnern, dem Stadtmarketing und einem Förderverein, neben einer effizienteren Veranstaltungsbewirtschaftung, jährlich nur wenige (im Gutachten: zwei) dafür aber hochwertige Ausstellungen mit zielgruppenorientierteren Begleitprogrammen künftig einen größeren, das heißt vor allem auch überregionalen Besucherkreis anziehen. Bei einer moderaten Erhöhung der Eintrittspreise und einer deutlichen Steigerung der Mieten soll der jährliche Zuschuss der Stadt laut Gutachten um 74.000 Euro auf 274.000 Euro fallen. Aus den gemachten Angaben errechnen sich sogar noch höhere Einsparungen, allerdings sind auch die in Aussicht gestellten Einnahmen nicht so ganz nachvollziehbar.
Gleichwohl wird mit diesem Vorschlag nicht nur früheren, zum Teil absurden Konzeptionen eine klare Absage erteilt, so wie zuletzt den Maßnahmen des Beratenden Beauftragten des Innenministeriums für die Konsolidierung des Stadthaushalts: Man könne doch zugleich die Bestände des Volkskundemuseums wie auch noch weitere kulturelle Aktivitäten der Stadt in dem einen Gebäude konzentrieren. Im vorliegenden Entwurf dagegen wird das Schleswig-Holstein-Haus nun endlich wieder mit seiner ursprünglichen Bestimmung als ,Kulturforum' identifiziert. Und auch wenn der Begriff mit Blick etwa auf das gleichnamige Berliner Gebäudeensemble für die kleinste deutsche Landeshauptstadt vermessen erscheinen mag, ist mit der Idee eines Forums für die Kultur doch ein qualitativer Anspruch formuliert, der für Schwerin große Chancen bietet, bislang aber weder im Gutachten noch im Beratungsvorschlag weiter ausgeführt ist.
Das Schleswig-Holstein-Haus wäre demnach auch im weiteren Sinne denkbar als ein Bürgerforum für die Orientierung in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Schwerins mit den Mitteln von Kunst, Wissenschaft und Politik, dabei empfänglich für Impulse ebenso wie für Interessen von außen, auch weit über die Region hinaus. Denn nur was auf seine ganz eigene Weise von innen her leuchtet, kann auch unverwechselbar nach außen hin strahlen. In solch einem Leuchtturm bietet sich die erste Gelegenheit, ,offen – innovativ – lebenswert' das neue Leitbild für die Kultur der Landeshauptstadt auszubuchstabieren, auszumalen, zum Klingen zu bringen und in Szene zu setzen. Warum also nicht den Forumgedanken von Anfang an ernst nehmen und die Bürgerinnen und Bürger Schwerins sowie mögliche Partnerinstitutionen vor Ort einladen, in einer Zukunftswerkstatt für ihr Kulturforum zu brennen? – Damit wäre das Schleswig-Holstein-Haus ein zweites Mal gerettet.
Hintergrund:
Der kulturratschlag (x) schwerin möchte vernetzen, die Kultur vertreten, „will die vielen Stimmen zu einem kraftvollen Chor bündeln, der nicht nur in der Stadt, sondern auch in der Region und im Land Gehör findet.“ So steht es in der Gründungserklärung aus diesem Jahr. Zur Initiative zählen Filmfestleiter Volker Kufahl, Theaterregisseur Ralph Reichel, die Literaturwissenschaftlerin Rita Gerlach-March. Sprecher ist Marc Steinbach.