Theater lädt Flüchtlinge ein
In Aalen betreut die Theaterpädagogik einmal wöchentlich die Internationale Klasse mit syrischen Kindern. Am Deutschen Theater in Berlin wird Sprachunterricht für Flüchtlinge angeboten. Das Schauspiel Köln übernimmt eine langfristige Patenschaft für zwei Flüchtlingsunterkünfte.
Und in Schwerin? Dort hat das Theater ein Banner gegen Fremdenfeindlichkeit rausgehängt, als Mvgida Anfang des Jahres durch die Stadt marschierte. Danach war lange nichts zu sehen oder zu hören. Jetzt soll es Karten für Flüchtlinge geben.* „Wir haben ursprünglich eine Sonderveranstaltung erwägt, uns dann aber wegen beschränkter Ressourcen an Zeit und Budget entschieden, Plätze aus dem fixen Programm heraus zu vergeben“, sagt Regisseur und Chefdramaturg Ralph Reichel. Dann habe man sich – wie schon bei den Tickets für Fluthelfer – „an die Stadt gewandt, um einen offiziellen und sinnvollen Verteilungsmodus zu finden.“
Ob das Theater als kulturelle, gesellschaftliche, moralische Instanz mehr tun muss? Diese Frage wird auch in Schwerin diskutiert. Die Mitarbeiter kommen aus über 20 Ländern, viele engagieren sich privat. Aber als Haus? Vermutlich wäre vor einem Jahr die Antwort anders ausgefallen, kräftiger. Das Theater jedoch steht vor einem Umbruch. Lars Tietje wird 2016 Joachim Kümmritz als Intendant ablösen, zahlreichen Künstlern ist gekündigt worden, sie müssen sich um neue Engagements kümmern.
Das Thema Flüchtlinge hat das Theater erreicht, als die Kraft fehlte.
*Vorstellungen:
26.11. Der Wildschütz
11.12. Der Nussknacker
14.12. 3. Sinfoniekonzert
20.12. Der Wildschütz
03.01. Rusalka
Hintergrund
„Das Thema Fremdsein und Flucht findet sich, wenn auch nicht vordergründig, in verschiedenen aktuellen Inszenierungen wieder“, heißt es in der Antwort von Ralph Reichel auf Anfrage unseres Magazins. „So werden in „Die lächerliche Finsternis“ die Globalisierung und die damit verknüpften Probleme thematisiert. In der Hitlersatire „Er ist wieder da“ beschäftigt sich das Schauspiel mit der Frage, was wir gelernt haben, außer über die Anmaßung eines Radikalen zu lachen oder zu erstarren, und thematisiert zugleich die Gefahr, wie leicht fremdenfeindliche Meinungen in der heutigen Mediengesellschaft präsent positioniert werden können. „Tango“ beschreibt die Notwendigkeit von Erneuerung innerhalb der Gesellschaft, der damit einhergehenden Angst vor Veränderung und die Gefahr von radikaler Gewalt. In „Demut vor Deinen Taten Baby“ wird die irrational große Angst vor Anschlägen zum Anlass für ein grotesk-komisches Geschäftsmodell. Und im Sommer wird mit „Othello“ eine Geschichte von Liebe und Eifersucht erzählt, die deutlich macht, wie im Konfliktfall für ein scheinbar integriertes Mitglied der Gesellschaft ganz schnell wieder dessen Fremdsein in den Vordergrund tritt.“