Vom Leben in der Utopie
Ja, so war es. Genau so. Nur haben wir es damals nicht so gesehen. Ist uns gar nicht aufgefallen, wie wacklig die alten Häuser waren, wie kaputt ganze Viertel. Was man jeden Tag sieht, sieht man gar nicht mehr. Siegfried Wittenburg hat es gesehen, hat es festgehalten mit seiner Kamera. Die Neubauten im Schlamm, die feiernde Jugend am Bergring in Teterow, das Detail im Schaufenster. Fein ironisch erzählen seine Bilder von einem Land, dass es nicht mehr gibt. Und manchmal kommt die Ironie mit dem Holzhammer um die Ecke. Da schmücken ein paar Fähnchen die Auslagen eines Gemüsehändlers. Ein Stillleben mit Parteiemblem an Rotkohl. Und selbst in der Brauerei ist der Arbeitsplatz der Kampfplatz für den Frieden.
Siegfried Wittenburgs Bilder erzählen Geschichten. Und Wittenburg selbst ist ein guter Geschichtenerzähler. Ruhig erzählt er, pointiert, nie langweilig. Kaum zu bremsen war er, am Dienstagabend, bei der Eröffnung seiner Fotoausstellung im Landesfunkhaus des NDR in Schwerin. Und kein Gast wollte ihn bremsen, denn er hatte ja was zu erzählen. Wie er Fotograf geworden ist, sich als Autodidakt der Kunst genähert hat. Wie er als Leiter des Fotoklubs der Warnowwerft erst ab- und dann wieder eingesetzt wurde. Er erzählt von Solidarität unter Freunden und von Banausen in der politischen Führung. Er erzählt von der Endzeitstimmung in der DDR und seine Foto liefern die Bilder dazu.
Gut 100 Bilder sind in der Ausstellung zu sehen. Die meisten sind in Rostock entstanden, der Stadt, in der Wittenburg zu Hause war. Heute ist Wittenburg in Langen Brütz zu Hause. Und seine Bilder sind in Schwerin zu sehen. Man kann die Gedanken in ihnen spazieren gehen lassen. Nachdenklich stimmen diese Fotos, traurig manchmal, komisch sind sie und irgendwie seltsam.
Aber sehen Sie doch selbst. Unbedingt!
Fotoausstellung:
Siegfried Wittenburg „Leben in der Utopie“
NDR Landesfunkhaus Schwerin
3. September bis 23. Oktober
Mo- So 10 bis 17 Uhr