Wurde mein Kind vielleicht auch angefasst?
"Das ist für Eltern verständlicherweise eine sehr schwierige Situation. Ich würde empfehlen, ruhig und besonnen das Gespräch mit seinem Kind zu suchen und behutsam nachzufragen, ob es von den Vorwürfen gehört hat und ob ihm auch so etwas passiert ist. Betroffen sein können Kinder aber nicht nur direkt, sondern auch indirekt. Etwa, indem sie etwas mitbekommen haben und es für sich behalten sollten."
Gibt es „typische“ Anzeichen im Verhalten von Kindern, die ein Indiz für einen Missbrauch sein können?
"Nein, spezifische Merkmale, die genau darauf hindeuten, gibt es nicht. Wenn sich Kinder aber psychisch verändern, sich zum Beispiel plötzlich zurückziehen, in sich gekehrt und traurig sind, Ängste äußern, Albträume oder auch Wutanfälle haben, ist es immer empfehlenswert, der Ursache auf den Grund zu gehen."
Angenommen, Eltern erfahren in dem Gespräch das Schlimmste. Wie helfen sie sich und ihrem Kind jetzt am besten?
"Das wichtigste für betroffene Kinder ist jetzt ein sicheres, stabiles Umfeld, das großes Vertrauen und Geborgenheit vermittelt. Das können die Eltern sein, aber auch andere Bezugspersonen aus dem Alltag. Es ist natürlich, wenn Eltern jetzt ganz genau wissen wollen, was ihrem Kind passiert ist. Aber: Bitte bohren Sie nicht und drängen Sie nicht auf Einzelheiten. Auch wenn es schwer fällt: Akzeptieren Sie, wenn Ihr Kind im Moment nichts erzählen möchte. Geben Sie ihm Zeit und das Gefühl, jederzeit zu Ihnen kommen zu können. Fast wichtiger als eine therapeutische oder ärztliche Begleitung für das Kind ist es, dass sich Eltern professionellen Rat, Unterstützung und Anleitung holen."
Sollten Eltern ihre Kinder nun davon abhalten, weiter in den Verein zu gehen?
"Das lässt sich pauschal so nicht sagen. Der Verdächtige ist verhaftet, die Gefahr selbst scheint nach derzeitigen Erkenntnissen gebannt. Ich empfehle Eltern, ein Augenmerk darauf zu legen, wie der Verein mit der Situation umgeht. Eine große Rolle spielen Offenheit und Transparenz. Sicher braucht die Einrichtung selbst professionelle Hilfe, etwa einen erfahrenen Coach oder Psychologen, um die Geschehnisse aufzuarbeiten."
Der Fall
Am Montag wurde bekannt, dass ein Betreuer vom Kinder- und Jugendverein „Power for Kids“ mehrere Jungen sexuell missbraucht haben soll. Betroffen sind der Staatsanwaltschaft zufolge nach derzeitigen Ermittlungen vier Kinder im Alter zwischen 10 und 13 Jahren. In insgesamt mindestens 16 Fällen soll er sie aufgefordert haben, sich vor ihm zu entblößen. Einige der Kinder soll er zudem gegen ihren Willen im Genitalbereich angefasst haben. Zudem wird ihm vorgeworfen, zwei Kindern Videos vorgeführt zu haben, in denen vermutlich 15- bis 16-jährige Personen beim Sex gezeigt wurden. Der Mann sitzt derzeit in Untersuchungshaft.
Mögliche Anlaufstellen
- Kinderschutz-Hotline MV: 0800 - 14 14 007 (kostenfrei, 24 Stunden erreichbar)
- Evangelische Beratungsstelle und Opferhilfe MV - Wismarsche Straße 148,
Telefon: 5507500 - Awo-Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt - Arsenalstraße 15,
Telefon: 555 73 52 - Weißer Ring - Telefon 116 006 (täglich 7 bis 22 Uhr)
- Hilfe für Opfer sexuellen Missbrauchs - 0800-22 55 530 (kostenfrei, anonym)
- Nummer gegen Kummer: Kinder- und Jugendtelefon - 116111 (kostenfrei, anonym, montags bis samstags, 14 bis 20 Uhr)
- Nummer gegen Kummer: Beratung für Eltern - 0800 111 0 550 (kostenfrei, anonym, montags bis freitags von 9 bis 11 Uhr und dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr)