Was macht eigentlich... Jochen Fraatz?

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    Jochen Fraatz
Das dramatische Match gegen Kronau/Östringen war das vorerst letzte große Handballspiel in Schwerin. 39:29 hieß es vor elf Jahren. Post hatte den Neun-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel aufgeholt und stieg in die 1. Bundesliga auf. Mit einem Star als Aushilfe.
18.05.2015
dieschweriner

Jochen Fraatz, wie kam es dazu, dass Sie 2004 in den Relegationsspielen für Schwerin aufgelaufen sind?

Jochen Fraatz: Michael Krieter war damals Manager bei Post. Ich kannte ihn aus dem Nationalteam und der Bundesliga. Er rief mich an und fragte, ob ich nicht aushelfen könnte.

Und was haben Sie geantwortet?

Dass ich zwar nicht mehr so wie früher spielen würde, aber immer noch geradeaus laufen könnte. Trotz meiner 41 Jahre. Ihm reichte das.

Das Hinspiel aber war eine Katastrophe...

Wohl wahr. Wir gingen 30:39 unter (Fraatz warf ein Tor, die Redaktion). Anschließend fragte ich Krieter, ob ich zum Rückspiel überhaupt noch kommen sollte.

Was sagte er?

„Jetzt ziehen wir das durch.“

Das Durchziehen hat sich gelohnt. Was war im Rückspiel anders?

Ich glaube, Kronau/Östringen hatte das Spiel schon abgehakt. Dazu die Euphorie, das Publikum, die ersten Treffer.

4 von 39 gingen am Ende auf Ihr Konto. Dazu diverse Vorlagen. Es lief auch bei Ihnen deutlich besser.

Trainer Peter Pysall hatte mich vor der Partie gefragt, ob ich von Anfang an spielen könnte. Kein Problem, sagte ich. Das lag mir ohnehin mehr, als von der Bank zu kommen.

In Schwerin erzählt man sich noch heute von diesem Spiel.

Das kann ich mir vorstellen. Mit dem Aufstieg hatte niemand mehr gerechnet.

Verfolgen Sie eigentlich, wo die Mecklenburger Stiere als Post-Nachfolger abgeblieben sind?

Ehrlich gesagt: Nur noch, wenn ich in der Handballwoche lese. Schwerin aber habe ich in guter Erinnerung behalten. Zwei, drei Jahre nach den beiden Spielen war ich mit meiner Frau zu Besuch. Die Stadt hat uns prima gefallen.

Was machen Sie heute?

Ich arbeite als Betriebswirt bei der Sparkasse. Mit meiner Frau und den beiden Söhnen lebe ich in Nordhorn.

Sie haben Post zum Aufstieg verholfen - und danach einen Club vor dem Abstieg bewahrt.

Fünf Jahre später den DSC Wanne-Eickel. Ein paar Etagen tiefer. Im Abstiegsduell der Bezirksliga.

Elf Tore gegen HSG Rauxel/Schwerin (tatsächlich). Es klappte also noch. Wird es irgendwann ein weiteres Retterspiel geben?

Definitiv nicht. Ich bin gerade 52 geworden. In dem Alter schaut man lieber zu. Mein jüngerer Sohn spielt Handball in der Niedersachsenauswahl. Und mein älterer war mit dem SV Meppen in der A-Jugend-Bundesliga. Allerdings im Fußball.

Die Fragen stellte Matthias Hufmann.

Hintergrund I

Jochen „Scholle“ Fraatz spielte bei Tusem Essen, der HSG Nordhorn und dem TBV Lemgo. In 441 Bundesligaspielen erzielte er 2660 Tore, die drittmeisten Tore in der Bundesligageschichte. Fraatz gewann Silber mit dem deutschen Team bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles - und neun Titel mit seinen Vereinen (zwei Europapokalsiege, drei deutsche Meisterschaften, vier Pokalsiege). In der DHB-Auswahl traf er in 185 Spielen 809 Mal.

Mit einem All-Star-Game am 30. Mai 2001 beendete Fraatz seine aktive Karriere. Ein Jahr später half er beim TBV Lemgo aus, drei Jahre später bei Post Schwerin.

Hintergrund II

2. Juni 2004:

SV Post Schwerin - SG Kronau/Östringen 39:29 (21:15)

Schwerin: Bahr 8, Obrvan 6/1, Vildalen 6, Fraatz 4, Kommoß 4/4, Klüttermann 4, Witt 3, Loke 2, Günther 1, Christ 1

Kronau-Östringen: Jurasik 11/1, Löhr 8, Blank 4/1, Häusler 3, Dominikovic 2, Weber 1

Zuschauer: 3600