Das Schloss auf Sendung
Es war die letzte Sendung, die in den Pioniertagen des Rundfunks in Schwerin aufgenommen wurde, nur fünf Jahre, nachdem das Schloss begonnen hatte, eine kleine Rolle in der Geschichte des jungen Mediums zu spielen.
Mit kulturpolitischem Sendungsbewusstsein hatte sich die Landesregierung des Freistaats Mecklenburg-Schwerin 1926 bei der Norag in Hamburg beworben. In der neuen Rundfunkwelt wollten die Mecklenburger nicht überhört werden. Einen eigenen Sender bekamen sie nicht. Aber weil sie „in Anerkennung des außerordentlich propagandistischen Wertes“ für die „geistige und künstlerische Arbeit des Landes“ im Schloss einen Besprechungsraum bereitstellten, versprach die Norag, die Mecklenburger häufiger in ihrem Programm zu berücksichtigen.
Für 10.000 Reichsmark wurde der beim Brand im Dezember 1913 zerstörte Königssaal im zweiten Stock über dem Gartenportal, dem heutigen Schloss-Café, hergerichtet.Auf dem Parkett wurden Schall schluckende Teppiche verlegt, die Wände und die Decke wurden mit dickem faltenreichem Wollfries bespannt. Die Türen und die Fenster wurden hinter schweren Vorhängen versteckt. Die Norag stellte die Möbel für den
Sendesaal und die Radiotechnik bereit.
Aus der so genannten Besprechungsstelle im Schweriner Schloss sollten „alle künstlerischen, wissenschaftlichen und rein unterhaltenden Darbietungen mecklenburgischer Künstler und Gelehrter durch Drahtleitung auf den Hamburger Sender übertragen“ werden. Zu den Gelehrten gehörte zum Beispiel der Heimatforscher Richard Wossidlo, der die Hörer mit plattdeutschen Vorträgen unterhielt.
Zur Eröffnung am 9. August 1927 gelangten zahlreiche Würdenträger des Landes und der Stadt über die steinerne Wendeltreppe des Uhrenturms und dann über die offene Balustrade und durch ein zum Innenhof gelegenes Fenster in den Sendesaal. Anders war der Saal
zunächst wegen der verbliebenen Brandschäden im Schlossgartenflügel nicht zu erreichen. Die Haupttreppe war noch nicht wieder aufgebaut worden.
Ein Streichquartett umrahmte die Reden mit Beethoven und Brahms. Danach wurde das niederdeutsche Schauspiel „Bahnmeesters Dod“ übertragen. Die „Mecklenburgische Zeitung“ bemängelte jedoch, dass in diesem Programm von Mecklenburg keine Spur zu entdecken gewesen sei. Nach der Eröffnung herrschte drei Monate Sendepause. Auf Nachfrage der besorgten Schweriner Kulturbeamten machte die Norag technische Probleme geltend. Erst kurz vor Weihnachten erklangen wieder ein klassisches Konzert und eine Morgenfeier aus Schwerin.
Was den Schwerinern nicht reichte. Immer wieder machten sie dem Sender Programm-Vorschläge – meist erfolglos. Opern lehnte die Norag sowieso ab, da „der überwiegende Teil der Rundfunkhörer die Theater nicht besucht und daher beim Anhören einer Oper keinerlei Vorstellung von den Vorgängen auf der Bühne haben kann“.
Um Mecklenburg mehr Gehör zu verschaffen, bemühte sich die Landesregierung beim Reichspostminister um einen eigenen Sender für die Region. Als das Schweriner Staatstheater spitz bekam, dass dieser in Rostock gebaut werden könnte, protestierte der Intendant. Das künstlerische Programm könne „sicher durch das Staatstheater besser geboten werden, als durch das Stadttheater in Rostock“. Überdies würde das Staatstheater um eine Einnahmequelle gebracht.
1932 wurde der Rundfunk in Deutschland verstaatlicht. Auch die rasante Entwicklung der Sendetechnik trug dazu bei, dass der Senderaum im Schloss nicht mehr benötigt wurde. 1934 wurde er als Magazinraum für das geplante Bauernmuseum des Heimatforschers Richard Wossidlo freigegeben.