Erst zu Helios, dann zum Goldenen Ochsen
Mit solch prominentem Besuch hat der diensthabende Bereitschaftsarzt bei Helios sicher nicht gerechnet. In seinem Wartezimmer saß am Sonnabendnachmittag keine geringere als Hanna Schygulla. Die Schauspielerin konnte nicht mehr sprechen. Ihre Stimme war weg.
Das Festival absagen? Nein, das wollte sie nicht. Stattdessen schonte sie ihre Stimme, so gut es ging. Keine Statements auf der Abschlusspressekonferenz. Stift und Zettel stets in Reichweite, um sich überhaupt verständlich zu machen.
Hanna Schygulla gilt als eine der ganz Großen des europäischen Kinos. Sie war die Muse von Rainer Werner Fassbinder. In fast all seinen Filmen spielte sie die weibliche Hauptrolle: Effi Briest, Petra von Kant, Maria Braun und Lili Marleen. Ende der 1970er-Jahre avancierte sie zum Gesicht des Neuen Deutschen Films. Sie spielte unter anderem an der Seite von Marcello Mastroianni, Isabelle Huppert, Armin Müller-Stahl, Bruno Ganz und Maximilian Schell und wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Filmpreisen geehrt. Und am Samstagabend nun auch mit dem Ehrenpreis des Schweriner Filmkunstfestes, dem Goldenen Ochsen. Die Schauspielerin zeigt auf ihre Lippen. „Kleines Festival oft schöner als Großes“, mehr kann ihre fehlende Stimme an diesem Abend nicht hauchen. Am Ende gibt es Standing Ovations.
Mit der Abschlussveranstaltung am Samstagabend bog das Filmkunstfest auf die Zielgerade ein. Am Sonntag werden noch ein paar Filme gezeigt. Dann gehen die Festivallichter aus.
„Es war eine schöne Woche“, blickt Heide Schwochow auf die vergangenen Tage in Schwerin zurück. Die Drehbuchautorin (und Mutter von Regisseur Christian Schwochow) saß in der Jury zum Spielfilmwettbewerb. 10 Filme schaute sie sich zusammen mit Maria Dragus, Michael Kind, Claudia Lenssen und Björn Vosgerau an. Sie lobt „die kluge Auswahl“. Weder Langeweile noch der Gedanke „oh schrecklich“ sei aufgekommen. Die Jury ließ den persönlichen Geschmack außen vor, setzte auf Analyse. Ihr Urteil - „kein Kompromiss oder kleinster gemeinsamer Nenner“, sondern Einigkeit in der Sache.
Und wie blickt Volker Kufahl auf sein erstes Filmkunstfest in Schwerin zurück? Viele positive Stimmen zum Wettbewerb habe es gegeben. Eines seiner persönlichen Highlights seien die Defa-Reihe „Wendekinder“ gewesen, und Axel Prahl und Andreas Dresen gemeinsam in einem Konzert zu erleben.
Wie viele Besucher kamen denn nun? Etwas mehr als 15.000, so der Festivalleiter und Geschäftsführer der Filmland MV gGmbH. Und damit etwa 1000 mehr als im vergangenen Jahr. Die Verlegung des Festivaltermins in die zweite Maiwoche habe sich aus Volker Kufahls Sicht „als Glück herausgestellt“. Kein Feiertag, kein Brückentag. Und auch das trübe Wetter machte Lust auf Kino. Allerdings nicht nach 22 Uhr. Jedenfalls hätten die Spätvorstellungen besser ausgelastet sein können, so Kufahl. Darüber werde beim nächsten Festival, dem 25., noch mal nachgedacht. Ebenso über einen Festivalclub.
Und wer hat nun gewonnen?
Spielfilmwettbewerb
Hauptpreis „Der Fliegende Ochse“: „Risse im Beton“
Lobende Erwähnung: „Fräulein Else“
NDR-Regiepreis: „Viktoria – A Tale of Grace and Greed“
Förderpreis der DEFA-Stiftung: „Poka – heißt Tschüss auf Russisch“
Nachwuchsdarstellerpreis: „Odine Johne“
Preis für die beste darstellerische Leistung: Murathan Muslu in „Risse im Beton“
Preis für die beste Musik- und Tongestaltung: „Zeit der Kannibalen“
Publikumspreis: „Jack“
Preis der deutschsprachigen Filmkritik in der FIPRESCI: „Anderswo“
Kurzfilmwettbewerb
Sieger: Kann ja noch kommen
Lobend erwähnt wurden: „Virtuos Virtuell“ und „Kathedralen“
Unser Publikumspreis für den besten Kurzfilm ging an "Komparsen".
Dokumentarfilmwettbewerb
Sieger: Zum Beispiel Suberg
Ehrenpreis "Der Goldene Ochse"
Hanna Schygulla
Kurzfilmnacht
Der Publikumspreis "Golden Moon" geht an:
1. „Simply Clever“
2. „Für Lotte“
3. „Habib und der Hund“