
Die Spuren der Zwangsarbeiter
„Erfrierungen waren also etwas Normales.“ Lindhammer wurde als 18-Jähriger durch ein sowjetisches Militärtribunal wegen Zugehörigkeit zu einer sowjetischen Untergundorganisation zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Von 1950 bis 1954 war er in einem Lager in der Region Workuta. 1956 wurde er entlassen.
Im Marstall erinnert von Freitag an eine Ausstellung an das dunkle Kapitel der politischen Straflager in der Sowjetunion, in der auch viele Deutsche jahrelang inhaftiert waren. Der Name: „Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929–1956.“ Dokumentiert sind darin auch die Schicksale von zwei Schwerinern. Von Lindhammer. Und von Johannes Krikowski. Er war ebenfalls in Workuta, von 1952 bis 1955. 40 Jahre später schilderte er seine Zwangsarbeit im Buch „Haft am Demmlerplatz“:
„Und dann kam ich schließlich in diesen Schacht VI, einen miesen Stollen - vielleicht 60 Zentimeter hoch - wo man Methangas hatte. Ich musste dort Stempel bauen mit noch einem ehemaligen Studenten zusammen. Wir konnten vor lauter Kraftlosigkeit diesen Stempel nicht halten. Ich hielt den Stempel, er nahm den Hammer und fiel gleich vom Gewicht des Hammers nach hinten über. Wir haben kurzum die Norm nie geschafft und kamen dementsprechend immer auf Strafration.“
Schwerin ist die erste Station in Norddeutschland, in der die Wanderausstellung gezeigt wird. Sie war von der Moskauer Menschenrechtsorganisation „Memorial“, der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie der Stiftung Schloss Neuhardenberg gemeinsam entwickelt worden. Stimmen von Zeitzeugen sind zu hören, Biografien ehemaliger Häftlinge sind zu lesen - und Objekte aus dem Bestand von „Memorial“ lassen den Lageralltag gegenständlich werden: etwa ein selbstgenähtes Brotsäckchen oder ein zerschlissenes Kleid. Das Sommerkleid von Walentina Buchanewitsch-Antonowa. Sie hatte es getragen, als sie 1938 verhaftet worden war. Und sie trug es noch immer, als sie 1939 nach einem Jahr aus der Untersuchungshaft entlassen wurde. Ohne Verurteilung.
Die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Anne Drescher, hat „Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929–1956“ in die Landeshauptstadt geholt. Die Ausstellung ist bis 24. Oktober zu sehen. Täglich von 10 bis 18 Uhr.
Ankündigung:
Mehr über die Schicksale von Eduard Lindhammer und Johannes Krikowski: Nächste Woche in unserem Magazin.
Service:
Gulag. Spuren und Zeugnisse 1929–1956
Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, bis 18 Jahre frei
Führungen täglich 14 Uhr, für Gruppen mit Voranmeldung
Marstall Schwerin
Werderstraße 120
19055 Schwerin