
Auf ein Bier mit dem (Groß)Herzog
Welch großer Bahnhof auf dem Artillerie-Berg! Kurz vor 7 Uhr fahren der Wagen mit Großherzog Friedrich Franz IV und dem Herzog Johann Albrecht, dem Regenten von Schwerin, vor. An der höchsten Stelle des Ostorfer Berges stoppen sie. Zu ihrer Linken und Rechten stehen die Artilleriekasernen. In der Mitte reiht sich an jenem 3. April 1900, einem Dienstag, der Grund ihres Besuches ein.
Im Flur haben die Offiziere Aufstellung bezogen, „um die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften zu empfangen“, schreibt die Mecklenburgische Zeitung am nächsten Tag. Es gibt ein Festessen, Bier, Zigarren. Kurz nach 10 fahren die „Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften“ wieder los. Dann ist das neue Offizierskasino offiziell eingeweiht. Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen: hier wurde nicht gezockt, sondern gegessen. Und (mit Gästen) verweilt.
Frühstück gab es im Souterrain, in einem rustikalen Zimmer mit Sprüchen an der Wand. Im Keller wurde auch gewirtschaftet. Der Speisesaal befand sich im Erdgeschoss. Die Wände waren halbhoch mit Holz verkleidet. Im Obergeschoss wohnte der Pächter. Nachlesen lässt sich das im Stadtarchiv, in Reinhard Parchmanns Buch „Militärbauten in Mecklenburg 1800 bis 1918“.
Bisher wurde in der alten Kaserne gegessen. „Im Sommer gab es manch feucht-fröhlichen Abend auf der Dachterrasse des Mittelbaus“, schreibt Parchmann. Irgendwann reichte für die Offiziere des Feldartillerie-Regiments Nr. 60 der Platz nicht mehr, um gemeinsam zu essen und Gäste zu empfangen. Doch genau darauf wurde viel Wert gelegt. Deshalb der Neubau. Er dauert zwei Jahre.
Am 22. März 1900 wird das Kasino den Offizieren übergeben, ein paar Tage später mit großem Tamtam offiziell eingeweiht. Auf der Architekturausstellung in Dresden ist das Gebäudeensemble in Sichtweite zum Schloss im gleichen Jahr ein Beispiel für eine „besonders gelungene Kasernenanlage“.
Nach dem Krieg nutzt die Rote Armee das villenartige Gebäude. „Vor dem Abzug der russischen Truppen 1994 wurde es als Lebensmittelverkaufsstelle genutzt“, schreibt Parchmann.
Seither steht es leer. Der Putz bröckelt. Scheiben fehlen. Manche Fenster sind verbarrikadiert.
2012 hat die Hydraulik Nord GmbH das Gebäude gekauft. Künftig soll die Firmenverwaltung ihren Sitz darin haben. Ursprünglich sollte der Umbau längst begonnen haben. Von außen sichtbar ist bisher nichts passiert. Manch Schweriner zweifelt inzwischen, dass sich an dem Objekt überhaupt noch etwas tun wird. Unseren Informationen zufolge hat es unvorhersehbare Verzögerungen gegeben. Demnach ist nun geplant, dass die Bauarbeiten im Frühjahr 2015 beginnen. Im Moment laufen die Ausschreibungen für die Außenfassade.
Bis aus dem verfallenen Gemäuer wieder ein repräsentatives Gebäude wird, zieht also noch etwas Zeit ins Land.