Im Wohnzimmer der Großherzogin herrscht Krieg

  • Hans-Dieter Hentschel
    Patricia Lambertus vor ihrem "Chambre bleu", dem blauen Zimmer. Sie kommt am Sonntag zum Künstlergespräch nach Schwerin.
Sich bewegte Bilder im Liegen anzusehen, ist nichts Besonderes. Anders sieht es aus, wenn der Streifen nicht zu Hause am Fernseher, sondern in einer Kunsthalle angeschaut wird.
15.08.2014
Anne-Kathrin Auel

In der Kunsthalle im E-Werk wird das im Liegen zu betrachtende Video „After Tiepolo“ (2013) von Myriam Thyes nicht an eine Wand, sondern an die Decke projiziert. Wie sich ein so ungewöhnliches Seherlebnis anfühlt, kann noch bis diesen Sonntag auf einer der Luftmatrazen in der Kunsthalle ausprobiert werden.

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In ihrer Fotoserie „Magnify Malta“ (2010) beschäftigt sich Thyes mit der Situation afrikanischer Flüchtlinge, die versuchen, in die Festung Europa zu gelangen.

In der Ausstellung „Rapport“ greift auch Patricia Lambertus die Themen Krieg und Flucht auf. Speziell für die Kunsthalle im E-Werk entwickelte sie die Installation „Chambre bleu“ (2014). Fotos vom leeren Ausstellungsraum und aus dem Schweriner Schloss bilden den Rahmen für ihre digitale Collage, die auf Tapete gedruckt wurde: Aus dem Wohnzimmer der Großherzogin fällt der Blick nun nicht mehr auf den Schweriner See, sondern auf ein Meer, in dem sich Kriegsszenen abspielen. An anderer Stelle taucht vor Pearl Harbour unter Wasser aufgenommenes Kriegsgerät auf und Schwarz-Weiß-Fotos zeigen vietnamesische Boatpeople der 1970er-Jahre.

Eine Installationsansicht von „Chambre bleu“ ist derzeit im Museum Schloss Schwerin zu sehen. Das unmittelbar nach dem Ausgang aus den Museumsräumen der Festetage platzierte Plakat hängt an der Wand, an der vor den aktuellen Umbauarbeiten Theodor Schloepkes monumentales Historiengemälde Niklots Tod (1857) zu sehen war. Von hier aus ist es nicht weit zum Wohnzimmer der Großherzogin sowie zum Blumen- und zum Blücherzimmer. Elemente aus diesen Räumen, dabei ganz dominant die blaue Wandbekleidung des Wohnzimmers, ein Lampas aus Seide und Leinen, sind in der Aufnahme der ortsspezifischen Installation zu erkennen, genau wie die mit pinkem Klebeband drappierte Bahn der restaurierten Wandbekleidung, die Lambertus in ihrem Werk verarbeiten durfte.

Im Wohnzimmer der Großherzogin war in den 80er-Jahren noch exakt ein Rapport erhalten. So nennt man in der Kunst die Wiederkehr eines Motives – in diesem Fall das Muster einer Tapete.  Nach dieser historischen Vorlage erhielt eine Firma aus dem Vogtland im November 1989 den Auftrag, die Wandbespannung wieder herzustellen. Seidenzwirn konnte in der DDR allerdings nicht geliefert werden. So wurden ein gutes halbes Jahr später 9.500 CHF bereitgestellt. Im September 1990 wurde die Finanzierung gestoppt. Trotzdem wurden ein paar Wochen später Gewebeproben geliefert und 1991 dann der gesamte Wandbehang.

Tipp:

Gut einen Monat war die Ausstellung „Rapport“ im E-Werk zu sehen. Anlässlich der Finissage findet am Sonntag um 16 Uhr ein Künstlergespräch zwischen Patricia Lambertus und Myriam Thyes statt, in das sich Besucher gerne einmischen dürfen. Myriam Thyes könnten Sie zum Beispiel fragen, warum sie gerne wieder nach Malta reisen würde, um dort noch eine Arbeit zu erstellen. Und Patricia Lambertus könnten Sie zum Beispiel entlocken, von welchen Tapeten sie zu Hause umgeben ist.

Am Freitag, Sonnabend und Sonntag ist die Ausstellung von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

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