Kulturserie, Teil 2: Ein Plädoyer für die Musikschulen
Klingende Zukunft??
Einer Zahl vom 31.12.2013 zufolge hat Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt 96.370 Einwohner. An den beiden in der Stadt angesiedelten Musikschulen erhalten über 3.000 Interessierte zu etwa gleichen Anteilen qualifizierten Musikunterricht. Eine beeindruckende Quote.
Die meisten Musikschülerinnen und Musikschüler gehören jener Generation an, die unsere Zukunft darstellt: Kinder und Jugendliche. Im Stadtbild spiegelt sich das positiv wider: nahezu jede Veranstaltung, ob Eröffnung, Empfang oder Freiluftevent, wird durch musikalische Beiträge aufgewertet, die in den meisten Fällen von Nachwuchskünstlern beider Musikschulen gestaltet werden. Dies ist charmant, fördert den Dialog zwischen den Generationen und ist für die Veranstalter ausgesprochen kostengünstig. Letzteres ist nicht unumstritten, aber eine Tatsache.
Beide Musikschulen sind staatlich anerkannt. Beide sind Mitglied im Verband deutscher Musikschulen. Beide erfüllen die damit verbundenen hohen Qualitätsstandards.
Beide haben eigene, sich ergänzende Profile. Die Musik- und Kunstschule Ataraxia engagiert sich auch im Bereich der Kunstpädagogik und schafft dadurch interdisziplinäre Verknüpfungen, nicht nur in den Kunstkursen im Speicher, sondern zum Beispiel auch in Zusammenarbeit mit der Astrid-Lindgren-Schule auf dem Großen Dreesch. Das Konservatorium Schwerin möchte allen die Möglichkeit geben, Musik zu erlernen. Ein wichtiger Schwerpunkt wird hier im Bereich der Sonderpädagogik für Menschen mit Behinderungen gesetzt. Vielen, denen sonst der Zugang zu Musik- und Kunstunterricht verwehrt bliebe, wird durch solche Angebote kulturelle Bildung ermöglicht.
Auch im Bereich der Talentförderung kann sich Schwerin sehen lassen. Seit Jahrzehnten überzeugen die Leistungen von Schülern die Juroren bei Wettbewerben wie Jugend musiziert ebenso wie die Kommissionen an Hochschulen, zum Beispiel im Rahmen der Young Academy Rostock, der Talentschmiede der Musikhochschule des Bundeslandes. Nicht zuletzt erwähnt werden müssen die vielen durch Musikschüler und deren Lehrkräfte gestalteten Konzerte in Schwerin und Umgebung, die der Landeshauptstadt ein jüngeres und dynamischeres Gesicht geben als es der Altersdurchschnitt statistisch erahnen ließe.
Beide Schulen haben Wartelisten von jeweils über 200 potentiellen, weiteren Teilnehmern, die aufgrund mangelnder Fördermittel nicht versorgt werden können. Ein Großteil des Lehrkörpers arbeitet zu Honorarsätzen, die als prekär zu bezeichnen sind. Bei Ataraxia ist auch für die wenigen festangestellten Arbeitnehmer nur eine Bezahlung möglich, die deutlich unter dem Tarifsatz für Musikschullehrer liegt. Trotz dieser seit vielen Jahren unlösbaren Probleme ist die Motivation, Musik und Kunst der Generation von morgen zu vermitteln, hoch wie kaum andernorts. Qualifizierte Fachkollegen, wie die Violinprofessorin Klara Flieder (Universität Mozarteum Salzburg) zeigen sich begeistert von der in Schwerin geleisteten Musikschularbeit.
Die veränderten gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, die Frage nach der Zukunft und sinnvollen Ausbildungsmodellen lässt die Nachfrage der kooperierenden Partner aus dem Bereich der allgemeinbildenden Schulen stetig steigen. Das kulturinteressierte Publikum von morgen wird ausgebildet und garantiert den Erhalt unseres kulturellen Erbes. Der Befürchtung, in einigen Jahren vor leeren Theatern und Konzertsälen zu stehen, wird aktiv entgegen gesteuert. Durch die Unterstützung seitens Stadt und Land ist musikalische Bildung glücklicherweise auch kein Privileg der Wohlhabenden. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Gymnasium mit musikalischem Schwerpunkt, dem Goethe-Gymnasium. Ohne die „Zuarbeit“ der Instrumental- und Gesangspädagogen der Musikschulen, wäre die Arbeit in den Ensembles des Goethe-Gymnasiums nicht in der bestehenden Form möglich.
Auch untereinander arbeiten das Konservatorium Schwerin und die Musik- und Kunstschule Ataraxia hervorragend zusammen, beispielsweise im Bereich des Jugendsinfonieorchesters, das wiederholt von den Festspielen MV eingeladen wurde und das im Rahmen einer Patenschaft durch Mitglieder der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin betreut wird. Ab Januar 2015 wird es auch ein gemeinsames Kinderorchester geben, um den Nachwuchs angemessen zu fördern.
Was wäre, wenn diese Angebote nun tatsächlich - wie angekündigt - beschnitten würden?
Zahlreiche Schülerinnen und Schüler könnten keinen geförderten Unterricht mehr bekommen. Im bundesweiten Vergleich liegt das Einkommen vieler Schweriner Familien eher unter dem Durchschnitt. Ohne die Förderung würde Musikunterricht teurer werden und die Sozialermäßigungen müssten wegfallen, wodurch einigen der Zugang gänzlich verwehrt bliebe.
Privater Musikunterricht kann die Angebote zweier derart gut ausgebauter Schulen weder in ihrem Ausmaß noch in ihrer Qualität, Vielfalt und Kombinierbarkeit ersetzen.
Das Goethe-Gymnasium könnte seinen musikalischen Schwerpunkt in vielen Bereichen nicht so anbieten wie bisher.
Das Jugendsinfonieorchester sowie zahlreiche andere Ensembles wären perspektivisch Auslaufmodelle.
Die Anzahl von Schwerins Musikveranstaltungen würde schlagartig drastisch abnehmen.
Die Zahl der Arbeitslosen in Schwerin würde steigen.
Würde man die Stadt dieser weichen Standortfaktoren berauben, verlöre das Stadtbild sowohl für die eigenen Bürgerinnen und Bürger als auch für Gäste und Touristen enorm an Attraktivität. Die Entscheidung vieler Menschen, die aus beruflichen Gründen abwägen, sich in Schwerin niederzulassen, würde nachhaltig an Argumenten zu Gunsten eines Wohnsitzes in Schwerin verlieren.
Abschließend kann festgestellt werden, dass die beiden Schweriner Musikschulen Erfolgsmodelle sind, die trotz jahrelanger bereits erfolgter Kürzungen, Einsparungen und ausgebliebender Mittelerhöhungen Herausragendes für die Landeshauptstadt Schwerin leisten. Solche Erfolgsmodelle sollten weitere Unterstützung zum Ausbau dieser wichtigen Standortfaktoren erhalten, keinesfalls jedoch in Frage gestellt werden.
Teil 1 der Serie: Perspektiven für das Schleswig-Holstein-Haus