6,5 Jahre Haft für 53 Missbrauchsfälle

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    Peter B. vor der Verhandlung
Sechs Jahre und sechs Monate Haft. So lautet das Urteil gegen den Gründer des Schweriner Jugendvereins „Power for kids“. Peter B. hatte jahrelang Jungs aus dem Verein sexuell missbraucht.
10.02.2016
Sylvia Kuska

Redensartlich ganz klein mit Hut sitzt der Angeklagte neben seinem Verteidiger. Er schaut nach unten, vergräbt das Gesicht in den Händen. Nichts mehr zu sehen von dem einst großen Macher. Dem Vereinsgründer. Dem „Peter“, der sozial schwachen Kindern bei „Power for Kids“ ein zweites Zuhause gab. Stolz ohne öffentliche Gelder einen Verein betrieb, einen alten Neubaublock für bedürftige Familien herrichtete, mit seiner Tanzgruppe bei Veranstaltungen ein gern gesehener Gast war, Eltern und Kinder rund um den Verein mit seiner kümmernden Art in seinen Bann zog. Jetzt schaut er sie nicht einmal an. Der Staatsanwaltschaft nennt es „Scham“, die Nebenklägerin „Selbstmitleid“.

Ein paar Stunden später wird Peter B. in Fußfesseln weggeführt. Für sechs Jahre und sechs Monate hinter Gitter.

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass sich der 41-Jährige über Jahre hinweg an Jungs vergangen hat. Angeklagt war Peter B. für 62 Missbrauchsfälle. Verurteilt wurde er für 53. Die anderen waren nicht strafrelevant.

Der Angeklagte habe seine Position im Verein systematisch missbraucht, sich seine Opfer „wahllos und willkürlich ausgesucht“, argumentierte Staatsanwaltschaft Jörg Seifert in seinem Plädoyer. Seine Forderung: Sieben Jahre und sechs Monate Haft.

Peter B. habe sich den Verein „nach seinen Wünschen geformt“, sagte Rechtsanwältin Christine Habetha, die 12 Kinder als Nebenkläger vertrat. Eltern konnten ehrenamtlich im Verein arbeiten. Der Angeklagte stellte Wohnungen und Autos zur Verfügung. Das habe Abhängigkeiten geschaffen, versuchte sie zu erklären, warum die Vorwürfe für manche Eltern zunächst nur schwer zu glauben gewesen seien.

Für die Tat seines Mandanten gebe es keine Rechtfertigung, schloss sich Verteidiger Uwe Kunik dem Staatsanwalt an. In seinem Plädoyer legte er den Fokus darauf, dass der Angeklagte ein Geständnis abgelegt und somit den Kindern eine Aussage vor Gericht erspart habe. Einen eigenen Antrag für ein Strafmaß stellte er nicht. Das geforderte Strafmaß der Staatsanwaltschaft sei für ihn jedoch die Höchstgrenze.

Rückblick: Im Sommer 2015 erstattete eine Mutter Anzeige gegen den Vereinsbetreuer, nachdem ihr Sohn sich ihr anvertraut hatte. Brisant: Das Jugendamt hatte bereits im Januar 2015 von einem Missbrauchsverdacht gegen Peter B. erfahren – diesen aber vier Wochen später zu den Akten gelegt. In dem halben Jahr bis zu seiner Verhaftung missbrauchte der Angeklagte ebenfalls Kinder. Der Abteilungsleiter und die Fachdienstleiterin für Jugend, Schule und Sport wurden inzwischen von ihren Aufgaben in der allgemeinen Jugendhilfe entbunden. Eine interne Untersuchung und ein politischer Sonderausschuss sollen jetzt die Versäumnisse beim Jugendamt aufarbeiten. Der Verein "Power for kids" ist inzwischen geschlossen.

Gut drei Beratungsstunden nimmt sich das Gericht Zeit, bis es das Urteil spricht. Strafmildernd berücksichtigt es vor allem, dass Peter B. die ihm vorgeworfenen Taten zu Prozessbeginn gestanden habe. Was er damit den Opfern ersparte, lässt sich erahnen, als Richter Armin Lessel in der Urteilsbegründung nicht um Einzelheiten der Taten herumkommt, dabei auch Situationen von Anal- und Oralverkehr schildert.

Ob Peter B. heute zum letzten Mal vor Gericht gestanden hat, ist unklar. In den vergangenen Wochen hätten Kinder laut Anwältin Habetha weitere Missbrauchsvorwürfe geäußert. Die Ermittlungen dazu laufen.