Gramkow bricht ihr Schweigen

  • Hans-Dieter Hentschel
Ja, das Jugendamt habe Fehler gemacht, räumte Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow im Zusammenhang mit dem mehrfachen sexuellen Missbrauch von Kindern in einem Schweriner Jugendverein ein. „Wie schwerwiegend“ diese Fehler waren, soll nun eine interne Untersuchung klären.
11.01.2016
Sylvia Kuska

Stellen Sie sich vor, Sie berichten dem Jugendamt von einem konkreten Verdacht, dass in einem Jugendverein Kinder sexuell missbraucht werden. Nach diesem Gespräch finden weitere statt. So wie es die Paragrafen im Sozialgesetzbuch vorsehen. Mit dem freien Träger der Jugendhilfe, einem Sozialarbeiter und zum Teil leitenden Mitarbeitern des Jugendamts. Der Sozialarbeiter sagt, dass die betroffenen Familien anonym bleiben möchten. Dem Jugendhilfeträger wird geraten, „den Fall gut zu dokumentieren“, „eine erfahrene Kinderschutzkraft hinzuzuziehen“ und dem Jugendamt einen Bericht zuzusenden, inwiefern er „den Schutzauftrag“ der Kinder sicherstellen kann, zum Beispiel, indem er bei den Eltern darauf hinwirkt, dass die Kinder nicht mehr in den Verein gehen. Am Ende wird der Sozialarbeiter noch darauf hingewiesen, dass er Strafanzeige bei der Polizei erstatten könne.

So stellt sich der Werdegang des Missbrauchsverdachts in einer internen Information der Oberbürgermeisterin dar, die unserer Redaktion vorliegt.

Eine Information des Jugendamtes an die Polizei? Fehlanzeige. Eine Information an den Verein über den Verdacht? Fehlananzeige. Ein Dranbleiben an den Vorwürfen? Nein. Warum?

In allen drei Fragen die gleiche Antwort: „Aus Sicht der Verwaltung war das Verfahren nach §8a SGB VIII abgeschlossen.“ Mitte Februar 2015. Vier Wochen, nachdem das Jugendamt Kenntnis von den Vorwürfen erlangte. Demnach wusste, nebenbei gesagt, das Jugendamt also auch viel früher über die Vorwürfe Bescheid, als zunächst angegeben. Das Jugendamt habe wegen der Anonymität und dem Wunsch der Betroffenen nach Diskretion damals keine Möglichkeit für weitere Schritte gesehen, wird die Jugendamtsleiterin im Januar 2016 sagen.

Im August wurde der Verdächtige aufgrund einer Strafanzeige festgenommen. Er hat inzwischen gestanden, zwischen 2007 und 2015 in mehr als 60 Fällen Kinder missbraucht zu haben. Seit einer Woche wird ihm der Prozess gemacht. 

Leitende Mitarbeiter von Aufgaben entbunden

„Beim Umgang des Jugendamtes mit den Missbrauchsvorwürfen sind Fragen offen geblieben“, äußerte sich Angelika Gramkow am Montagabend nach einem Treffen mit den Fraktionsspitzen der Stadtvertretung erstmals seit Tagen öffentlich zu den Vorwürfen. Eine interne Untersuchung solle jetzt klären, „wie schwerwiegend die gemachten Fehler waren“. Der zuständige Abteilungsleiter und die Fachdienstleiterin für Jugend, Schule und Sport wurden indes „mit sofortiger Wirkung und bis zum Ende der Untersuchung“ von ihren Aufgaben in der allgemeinen Jugendhilfe entbunden.

„Den Kindern und Eltern, die vom vielfachen sexuellen Missbrauch betroffen sind, gilt unser tiefes Mitgefühl“, sagte Gramkow. Sie kündigte an, den Opfern mit psychologischen und sozialen Hilfen zur Seite zu stehen.