An den Grundschulen wird’s eng

  • dieschweriner
In Schwerin kommen in diesem Jahr so viele Kinder zu Schule wie noch nie. Das ist ein Problem. Mehr erste Klassen müssen her. Klingt logisch. Hat aber mehrere Haken. Denn es fehlt an Platz.
01.03.2016
Sylvia Kuska

Die Zahlen:

Im Sommer kommen rund 940 Kinder zur Schule. Das ist bisheriger Rekord. Aber nicht verwunderlich: Der für die Einschulung relevante Geburtszeitraum war der geburtenreichste seit Jahren. Von den 940 Kindern sind 150 für private Grundschulen angemeldet, 790 für staatliche. Deshalb muss die Zahl der ersten Klassen an staatlichen Grundschulen erhöht werden.
Waren es im vergangenen Jahr noch 24, sind es nun 28.
Macht unterm Strich 722 Schulplätze. Für 790 Kinder? Das Minus stehe nur auf dem Papier, betont Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow. Erfahrungsgemäß erhöhe sich die Zahl der Privatschüler noch. Auch die Förderkinder seien hier noch nicht herausgerechnet. Außerdem würden jedes Jahr noch Kinder zurückgestellt. Stimmt. Aber die Rücksteller vom vergangenen Jahr rücken dafür jetzt nach. Einwände, wonach die Rechnung nach dem „Prinzip Hoffnung“ erstellt wurde, weist sie zurück. „Jedes Kind bekommt einen Schulplatz!“

Die Probleme:

Mehr erste Klassen haben zur Folge, dass etliche staatliche Grundschulen mehr Kinder aufnehmen müssen, als ihr Platz eigentlich hergibt. Die Folge: Improvisation und offene Fragen.

Beispiel Alltagslogistik: Zu wenige Toiletten, ein zu kleiner Speiseraum – das sind die Probleme, vor denen beispielsweise die Heine-Schule steht, wenn sie vier erste Klassen aufmachen soll. Die Verwaltung kündigte inzwischen an, zusätzliche Toiletten zu installieren und einen weiteren Essensraum im Ausweichhort am Alten Fridericianum zu prüfen. Ungelöst bleibt das Sportproblem: Bei einer Vierzügigkeit müssten zwei Klassen gleichzeitig Sport haben. Die beiden Umkleidekabinen seien aber nur für jeweils 13 Kinder ausgelegt, gibt die Schulleitung in einem Brief an die Verwaltung zu bedenken.

Beispiel Horträume: Damit die zusätzlichen ersten Klassen in der Schule Platz haben, müssen mehrere Horte ausgelagert werden. Das betrifft die Grundschule Lankow, die Nils-Holgersson-Schule, die Astrid-Lindgren-Schule und die Heinrich-Heine-Schule. Für die Lindgren-Schule werden Modulbauten, umgangssprachlich sogenannte Container, auf dem Schulhof aufgestellt; die Holgersson-Schule soll die angrenzende alte Berufsschule nutzen. Für die anderen beiden werden Ausweichstandorte ein paar hundert Meter von der Schule entfernt geschaffen.

Beispiel Sicherheit: Der Stadtelternrat warnt davor, dass die bestehenden Rettungs- und Fluchtwege nicht in jedem Fall für die erhöhten Kapazitäten ausgelegt sind. „In einzelnen Schulen bestehen erhebliche Einschränkungen“, mahnt der Vorsitzende, Rainer Schiffel.

Beispiel Hortplätze: Mehr Erstklässler führen zwangsläufig auch zu einem höheren Hortbedarf. Gibt es dafür überhaupt genügend Plätze? Antwort der OB auf der Stadtvertretersitzung: „Alle Eltern, die es wünschen, bekommen einen Hortplatz.“ Das ist ein gewagtes Versprechen. Denn es ist mitnichten so, dass alle Grundschulkinder per se einen Hortplatz erhalten: Ist mindestens ein Elternteil erwerbssuchend, besteht ein Anspruch auch weiterhin nur in Ausnahmefällen.

Die Diskussion:

Am Montagabend mussten die Stadtvertreter darüber entscheiden, welche Schule im kommenden Schuljahr wie viele erste Klassen eröffnen soll. Eine wirkliche Wahl bei der Abstimmung hatten sie jedoch nicht. Denn das Bildungsministerium sieht für solche Anpassungen eine Deadline vor: den letzten Arbeitstag im Februar – und das war nun mal der Stadtvertretermontag. Wird die Aufnahmekapazität nicht bis zu diesem Tag neu bestimmt, gelten die alten Klassenplanungen fort; und die hätten definitiv nicht gereicht.

Und so stimmten die Stadtvertreter also zu – sparten aber nicht mit Kritik an der Verwaltung. Bei den Planungen sei „völlig auf Kante genäht worden“, schimpfte Georg-Christian Riedel (CDU). In Zensuren ausgedrückt sei die Beschlussvorlage bestenfalls „eine 6+“ und eigentlich abzulehnen, sagte er unter dem Beifall anwesender Schulleiterinnen. Silvio Horn (Unabhängige Bürger) warf der Verwaltung „komplettes Planungsversagen“ vor. Als nicht schön, aber einen Kompromiss für das kommendes Schuljahr, bezeichnete Rico Badenschier (SPD) die Vorlage. Henning Foerster (Die Linke), Cornelia Nagel (Die Grünen) und Manfred Strauß (Unabhängige Bürger) hielten der Oberbürgermeisterin vor, sehenden Auges auf dieses „Dilemma“ zugesteuert zu sein. Die Entwicklung der Geburtenzahlen sei kein Geheimnis gewesen. Außerdem entstehe in der Stadt ein Baugebiet nach dem anderen. „Glauben Sie, dass da nur 80-Jährige einziehen?“, fragte Strauß. Applaus in den Zuschauerreihen.

Die Entscheidung:

Das sind die Aufnahmekapazitäten für die städtischen Grundschulen im Schuljahr 2016/2017:

Schule

Anzahl
erste Klassen

Anzahl
Erstklässler
Heinrich-Heine4104
John-Brinckmann372
Friedensschule4104
Fritz-Reuter378
Lankow4104
Nils-Holgersson4104
Astrid-Lindgren378
Am Mueßer Berg378

Die Prognose:

Die Prognosen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Erstklässler in den kommenden Jahren nur marginal verändern wird. Diesem Bedarf werde die Verwaltung im neuen Schulentwicklungsplan Rechnung tragen, kündigte Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow an. So sehe das - sich derzeit noch in der Entwurfsphase befindliche - Konzept zwei neue Grundschulen und eine neue Regionalschule vor.

Die angespannte Hortsituation soll schon seit Langem mit je einem neuen Hortgebäude für die Heine- und Friedensschule entschärft werden. Wann die Bauarbeiten beginnen, ist allerdings noch immer unklar.

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