Angriff auf Notunterkunft in Lankow

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Um 0.20 Uhr in der Nacht zu Freitag fliegt die erste Flasche. Holzpfähle werden geworfen, die Wachleute müssen sich ins Gebäude zurückziehen, Alarm bei der Polizei. Es ist – ein Angriff auf die Notunterkunft für 150 Flüchtlinge in der ehemaligen Comeniusschule. Die fremdenfeindliche Tat war nur eine Frage der Zeit.
26.09.2015
Matthias Hufmann

Seit Wochen schon wird gegen Flüchtlinge gehetzt. „Schwerin wehrt sich“, „Wismar wehrt sich“ und der „Dachverband Deutschland wehrt sich“ heißen die Seiten auf Facebook. Es sind vor allem Schweriner, die hier posten. Und zwar alles, was aufstachelt. Wichtigste Quellen: Junge Freiheit, Compact-Magazin oder Gerüchteküche. NPD-Quellen.

Am Bahnhof sind Flüchtlinge von Fremdenfeinden fotografiert worden. Die Bilder landeten samt Kommentaren im Internet. Es gibt Patrouillen-Fotos von der Erstaufnahme in Stern Buchholz. Und in Lankow werden Wohnungen gezählt, in die angeblich Flüchtlinge ziehen sollen. Ganz so, als würde es in Schwerin eine Bürgerwehr geben.

Den fremdenfeindlichen Protest auf die Straße gebracht haben Torsten S. und David B. Beides Schweriner. Beide auch auf Facebook aktiv. Sie haben in den vergangenen Wochen die Demos in der Landeshauptstadt und in Wismar angemeldet. Bekannte Neonazis waren dabei, freie Kameradschaften, in Schwerin reihte sich der NPD-Fraktionsvorsitzende Udo Pastörs ein.

Bei diesem Aufmarsch sprach der Vorsitzende der rechten Partei „Die Freiheit“, Michael Stürzenberger, und warnte u.a. vor einer angeblich drohenden „Masseninvasion“ durch Muslime. Aus der Menge waren „Merkel an die Wand“-Rufe zu hören, ebenso „Wir wollen keine Asylantenheime“.

Es war eine Demo mit mehreren hundert Teilnehmern. Deutlich mehr als bei den Protesten in Lankow. Aber auch dort sind Fremdenfeinde in der übergroßen Mehrzahl. Vor zwei Wochen zum Beispiel, als Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow zur ehemaligen Comeniusschule geeilt war, um – wie sie vermutete – mit besorgten Bürgern zu sprechen. „Das Boot ist voll“, bekam sie zur Antwort. „Die bringen Krankheiten mit.“ „Asylschmarotzer.“

„Schämen Sie sich“, rief Torsten S. durchs Megafon. Er meinte nicht die Teilnehmer, sondern Gramkow und ihre – aus seiner Sicht – verlogene Politik. Ihr Gesprächsangebot ließ er trotzdem verstreichen. Die Oberbürgermeisterin wollte mit S. diskutieren und gab ihm die Büronummer. Gemeldet hat er sich bis heute nicht.

Stattdessen geht die Hetze weiter. Nicht nur bei Protesten und auf Facebook. Die Schweriner AfD mischt kräftig mit. Mvgida ist zurück aus der Sommerpause. Und auch die NPD möchte das Thema nicht verpassen. Auf einer Koppel neben der Erstaufnahme in Stern Buchholz seien Pferde geschlachtet worden, heißt es in einem Schreiben an die Landesregierung. Jetzt wolle man wissen, wie viele Straftaten es insgesamt im Umkreis des Flüchtlingsheims gegeben habe und was mit den angeblichen Tätern – aufgelistet u.a. nach Nationalität, Aufenthaltsstatus und Vorstrafen – geschehen sei.

An der Pferde-Geschichte ist nichts dran. Ein Anruf bei der Polizei hätte genügt. Das Gerücht aber: Das hält sich. Genau wie erhofft.

Nach dem Angriff auf die Notunterkunft in Lankow sind die Tatverdächtigen schnell gefasst worden. Fünf Männer und zwei Frauen, Schweriner zwischen 23 und 38. Ein paar von ihnen seien bereits in den Tagen zuvor in der Nähe der Unterkunft gesichtet worden, teilt die Polizei mit.

Die Personalien wurden festgestellt. Anzeigen erstattet. Staatsanwalt und Staatsschutz informiert. Dann konnten die Tatverdächtigen nach Hause gehen.

 

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