Das Schweriner Jugendsparamt

Wie hoch ist der Anreiz zu arbeiten, damit die Familie - Vater, Mutter, Kind - ein paar Euro mehr in der Tasche hat und nicht auf Sozialleistungen angewiesen ist? Gleich null. Ein Beispiel aus Schwerin.
19.07.2014
Matthias Hufmann

Der Familie stehen 1800 Euro monatlich zur Verfügung. Das sind exakt 142 Euro mehr, als ihr als Grundsicherung zustehen würde. Die Eltern hatten deshalb beim Jugendamt die Befreiung von den Kita-Kosten beantragt. 290 Euro hätte der Platz gekostet. Das Amt jedoch gab dem Antrag nur teilweise statt - 142 Euro sollte die Familie dazuzahlen. Genau soviel, wie den Unterschied ausmacht zwischen zur Arbeit gehen und zu Hause bleiben.

„Diese Berechnungsmethode des Jugendamtes ist nicht rechtskonform", sagte der Bürgerbeauftragte Matthias Crone am Freitag. Von einer angemessenen Beteiligung an den Kosten könne hier keine Rede sein. Der Vater hatte sich bei ihm gemeldet.

Dabei gibt es eigentlich eine klare Empfehlung, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist. Erarbeitet von der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter der Länder. Die Hälfte des Verdienstes oberhalb der Grundsicherung - das sei angemessen. Also 71, nicht 142 Euro.

„Von diesen Empfehlungen und der bisherigen Verwaltungspraxis weichen die Jugendämter inzwischen überall ab“, so Crone. Nicht nur in Schwerin. Hier jedoch grundsätzlich. Die Ämter würden sich darauf berufen, dass die Haushaltslage das nicht mehr zulasse. Außerdem seien die Empfehlungen nicht verbindlich.

Was also tun? Ein Arbeitstreffen mit den Leitern der Jugendämter im Januar dieses Jahres brachte kein Ergebnis. Das Sozialministerium sei eingeschaltet, sagte Crone. „Die Antwort steht noch aus.“

Erst danach will auch das Jugendamt im Fall der jungen Familie entscheiden. Dem ersten Bescheid hat der Vater vorsorglich widersprochen.

Hintergrund:

Im ersten Halbjahr gingen 924 Petitionen beim Bürgerbeauftragten ein, das sind 166 mehr als im Vorjahreszeitraum. Den größten Zuwachs habe es im Bereich von Sozialleistungen für Arbeitslose und Geringverdiener gegeben, sagte Matthias Crone am Freitag.

Die Top 5 der Themen:

1. Soziales (ALG II, Kinder- und Jugendhilfe etc.): 355 Petitionen (plus 65)

2. Justiz, Liegenschaftsrecht: 131 (plus 30)

3. Belange von Menschen mit Behinderung: 87 (plus 26)

4. Kommunale Angelegenheiten: 68 (plus 15)

5. Steuern und andere Abgaben: 64 (minus 7)

Die Petitionen sind eingegangen: per Mail (151), per Fax (8), schriftlich (135), telefonisch (351). 59 Bürger haben sich persönlich gemeldet, 214 an den Sprechtagen des Bürgerbeauftragten.

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