Demokratie-Verteidiger in Teilzeit
Am Montagabend hatten sich 120 Mvgida-Leute am Hauptbahnhof versammelt. „Steh auf, du deutsches Volk“, dröhnte aus dem Lautsprecherwagen. Andreas Theissen (NPD) begrüßte das „kleine, aufrechte Völkchen“, Antje Menzel vom Ring Nationaler Frauen las ihre Rede ab und fragte, wann das Volk wieder bessere Vertreter bekäme.
Rundherum standen Polizisten, ein paar Bahnreisende liefen vorbei, eine Schwerinerin hatte zuvor Blumen zur Gedenktafel gebracht. Schließlich ist das hier der Grunthalplatz. Am 2. Mai 1945 wurde an dieser Stelle Marianne Grunthal von der SS ermordet. Die Lehrerin hatte gesagt: „Gott sei Dank, der Führer ist tot.“
Ansonsten war niemand da. Nicht am Bahnhof, fast nirgends. Zwar wurde an der Siegessäule kurz gegen Rechts protestiert. Und an der Demostrecke selbst tauchte immer mal wieder ein Antifa-Grüppchen auf - das war's aber schon. Die Stadtvertreter tagten weiter, als Mvgida auf den Marktplatz marschierte.
Das kann man machen: Ignorieren. Nur nicht, wenn man so angefangen hat wie im Januar. Als eine Stadt Flagge zeigen wollte. Als auf dem Alten Garten für ein weltoffenes Schwerin demonstriert wurde und 1000 Menschen kamen. Als der Ministerpräsident redete, überhaupt alle reden wollten - und man sich darüber stritt, ob denn auch Storch Heinar auftreten sollte. Als das Licht ausblieb im Schloss, in der Staatskanzlei, im Theater. Als die Stadtvertreter ihre Sitzung unterbrachen, um den Marktplatz nicht den Rechtsextremen zu überlassen. Als die Oberbürgermeisterin mit jedem diskutierte, der es wollte oder nicht wollte - und immer wieder fragte, woher die Mvgida-Teilnehmer denn kommen würden. Doch nicht aus Schwerin?
Das Problem war: Die meisten Teilnehmer kamen wieder, die Schweriner blieben weg. Im April waren es noch 20, 30 junge Leute (plus Demo-Dino Andreas Katz von den Grünen), die auf dem Dreesch gegen Mvgida protestierten.
Dem Einsatz für eine weltoffene Stadt ist schnell die Puste ausgegangen. Mit Ignorieren als Taktik lässt sich das nicht begründen. Dafür war anfangs zuviel Symbolik im Spiel - und von Ausdauer die Rede. Aufhören war danach eigentlich unmöglich. Schwerin hat es trotzdem getan. Es wirkte wie Teilzeit für Demokratie-Verteidiger.