Kameras nehmen Marienplatz ins Visier

  • pixabay.de
Die Stadtvertreter haben den Plänen von Stadt und Polizei zugestimmt, den zentralen Platz ein halbes Jahr lang mit Videokameras zu überwachen.
31.01.2017
Sylvia Kuska

Wann sollen die Kameras laufen?
Von Mitte April bis Mitte Oktober, sagt Oberbürgermeister Rico Badenschier. Ob und wie es danach weitergeht, soll nach Auswertung der Testphase entschieden werden.

Warum sollen sie angebracht werden?
In den vergangenen Monaten hat es immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen am Marienplatz gegeben: hauptsächlich Prügeleien unter Flüchtlingen, aber auch ausländerfeindliche Angriffe und Auseinandersetzungen unter deutschen Staatsangehörigen. Die letzten Übergriffe liegen erst wenige Tage zurück.

Was sollen die Kameras bringen?
Sie sollen Gewalttaten verhindern und die Identifizierung von Straftätern erleichtern, argumentieren Polizei, Stadtverwaltung und Innenminister.

Welche Bereiche sollen überwacht werden?
Der gesamte Marienplatz.

Wer wertet die Daten aus?
Die Kameras übertragen die Bilder an das Polizeihauptrevier in der Graf-Yorck-Straße. Hier werden  die Daten gespeichert und ausgewertet. „Den Zugriff darauf haben nur Polizeibeamte“, sagt Jugend- und Sozialdezernent Andreas Ruhl. Sofern die Aufnahmen für die Strafverfolgung nicht relevant sind, müssen sie nach 72 Stunden gelöscht werden. Das sei im Einvernehmen mit dem bisherigen Landesdatenschützer Reinhard Dankert vereinbart worden, betont Andreas Ruhl.

Was kostet die Anschaffung der Kameras? 
Die Kameras testweise anzumieten, kostet rund 40.000 Euro plus Anschluss und Wartung. Die Stadt setzt darauf, dass das Land mindestens die Hälfte der Kosten trägt. Innenminister Lorenz Caffier habe bereits entsprechende Signale gesendet, sagt Ordnungsdezernent Bernd Nottebaum.

Ist die Überwachung die einzige geplante Maßnahme für mehr Sicherheit?
Der Oberbürgermeister spricht von einem „Baustein“ und verweist auf weitere Präventionsmaßnahmen wie das Jugendintegrationsmobil. Die Stadtvertreter haben ihn mit ihrem Beschluss außerdem beauftragt, mehr Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes zum Marienplatz zu schicken. Auch die Polizei hat ihre Präsenz erhöht.

Werden Kameras das Problem nicht in andere Straßen verdrängen?
„Das können wir nicht ausschließen“, sagt Andreas Ruhl. Auch deshalb die Testphase. Aber selbst wenn Taten rings um den Marienplatz geschehen, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Täter dann über den zentralen Platz gehe und von der Kamera eingefangen werde, so der Sozialdezernent.

Müsste man dann nicht auch über Kameras am Markt, am Schlachtermarkt oder im Tunnel in der Lübecker Straße diskutieren?
Das ist für die Verwaltung kein Thema. Es gehe ausschließlich um den Marienplatz.

Die politische Diskussion
Dass am Marienplatz gehandelt werden muss, darin herrscht Einigkeit unter den Stadtvertretern. Ob Kameras das Mittel der Wahl sind, daran scheiden sich jedoch die Geister. SPD, CDU und Unabhängige Bürger sagen ja. Linke, Grüne, AfD, Ralph Martini (ASK) und Stev Ötinger (FDP) sind dagegen.

Das sagen die Befürworter:

Wer Kameras auf dem Marienplatz nicht wolle, müsse sie auch auf Bahnhöfen, Flughäfen und in Fußballstadien infrage stellen, argumentierte CDU-Fraktionschef Sebastian Ehlers. „Wir setzen auf die präventive Wirkung und die Möglichkeiten der Strafverfolgung“, die sich damit böten. „Neben der Videoüberwachung ist es aber auch wichtig, noch mehr Polizeipräsenz zu haben.“

„Wir reden hier doch nicht von einer lückenlosen Totalüberwachung der Landeshauptstadt“, sagt Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen Bürger. Die Videoüberwachung sei eine Chance. Wer nix zu verbergen habe, müsse sich darüber auch keine Gedanken machen. „In Zügen und beim Nahverkehr ist das längst gelebte Praxis. Kein Mensch meidet sie deshalb.“

„Wir können nicht zusehen, wie einige wenige durch Gewalt und die Straftaten die Menschen verunsichern“, sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Christian Masch. „Wir brauchen eine vernünftige Lösung mit Augenmaß und die liegt hier vor.“ Eine Zustimmung bekräftige, dass die Stadt die Polizei in der Sicherheitsfrage am Marienplatz nicht allein lasse.

Das sagen die Überwachungsgegner:

Für Henning Foerster, Fraktionschef der Linken, steht fest: „Kameras gaukeln nur Sicherheit vor“ und schränken die Freiheit der Bürger ein. Für ein echtes Sicherheitsgefühl brauche es mehr Polizeipräsenz vor Ort. „Was ist denn die nächste Forderung, wenn wir probeweise den Marienplatz videoüberwachen und sich das Geschehen in andere Regionen der Stadt verlagert?“

„Gegen ein Mehr an Kriminellen hilft nur ein Mehr an Polizei.“ AfD-Fraktionschef Hagen Brauer forderte daher eine Polizeistation am Marienplatz. „Da wäre das Geld wesentlich besser angelegt als in teurer Technik, weil die Polizisten gleich eingreifen können.“

Regina Dorfmann (Grüne) sprach von einem „Placebo-Effekt“. Die Überwachung möge zwar zur Aufklärung beitragen. „Sicherer macht sie den Platz aber nicht.“ Auch sie forderte dafür mehr Polizei.

„Wer Ärger machen will, den halten auch Kameras nicht ab“, findet Ralph Martini (ASK). „Überall in der Stadt geschehen Straftaten. Da schreit auch niemand nach Kameras.“

„Im Namen der Sicherheit schnell nach drastischen Maßnahmen zu rufen, ist leicht“, sagt Stev Ötinger (FDP). „Das Dumme ist nur: Kameras verhindern keine Straftaten, sie schrecken auch nicht ab. Sie verlagern sie nur.“ Das Credo müsse lauten: „Ein starker Staat überwacht nur Straftäter und bestraft nicht alle Bürger durch Überwachung."

45 Minuten lang flogen am Montagabend die Argumente hin und her. Dann wird abgestimmt. Auf Antrag der CDU namentlich. Ergebnis: 24 Stadtvertreter stimmen dafür, 17 dagegen.

Übrigens: Hätten sich die Stadtvertreter mehrheitlich dagegen ausgesprochen, hätte die Polizei die Überwachung auch im Alleingang anordnen können.

Anzeige
Suche in der Schweriner Lokalpolitik

Weitere Artikel