„Schade, dass es manchen gelingt, auch dies noch kaputt zu reden...“

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Sonntag, 27. September. Ein Dutzend Leute packen ein paar Sachen ein und besuchen die Flüchtlinge in der ehemaligen Comeniusschule. Ein kleines, feines Beispiel für Willkommenskultur. Zwei Tage später wird das Treffen zum Thema im Hauptausschuss. Was ist geschehen?
01.10.2015
Matthias Hufmann

Es sei ein schöner Spätsommertag gewesen, postet Rico Badenschier auf Facebook. Mit Kaffee, Kuchen und Kinderspielen. Auf einem Foto sind Mädchen und Jungen zu sehen, auf einem anderen sitzen Flüchtlinge gemeinsam mit ihren Gästen vor dem Gebäude. Es gibt 2 Kommentare auf Badenschiers Seite und 17 Gefällt-mir-Angaben.

Den Gefällt-mir-Button hat auch Thomas Zischke geklickt. Er ist Fraktionsgeschäftsführer der SPD in Schwerin und stets darauf bedacht, den Bürgermeisterkandidaten seiner Partei gut dastehen zu lassen. Der Kandidat heißt: Rico Badenschier. Also hat Zischke ein bisschen was gebastelt. Aus dem „Guten Morgen“ in der SVZ zum Thema „Gelebte Integration“ und den Facebook-Bildern aus der Comeniusschule. „Nicht reden, machen. Unser Kandidat“. Es ist eine Onlinespielerei.

In Schwerin kann das schon für Empörung sorgen. Bei Peter Ritter zum Beispiel. Der Besuch sei ein gutes Beispiel von vielen gewesen, schreibt der Landtagsabgeordnete auf Zischkes Seite. Er müsse „deshalb nicht für Wahlkampfpropaganda missbraucht werden...“ Auch die CDU ist not amused. Zumindest nicht die Stadtvertreterin Susanne Herweg. „Uns gefällt die Assoziation nicht, dass unter dem Slogan ,Nicht reden, machen. Unser Kandidat' das Ganze zu einer persönlichen Wahlkampfveranstaltung, und zwar nicht vom politischen Gegner, sondern von der eigenen Partei, hochstilisiert wird.“

Was das sind? Die Vorboten des Wahlkampfes. Bastelei und Reaktionen. Aber darauf allein hat sich die Diskussion auf Zischkes Seite nicht beschränkt. Zweiter Punkt: Der Ortsbeirat lässt sich nicht gern überraschen. In den Kommentaren auf Facebook heißt es:

„Durch solche Einzelaktionen werden bisherige parteiübergreifende Planungen im OBR und der Stadtteilkonferenz über den Haufen geworfen und ehrenamtliches Engagement negiert.“

„Schön, dass es solche spontanen Initiativen in Lankow gibt. Schade, dass der ansonsten sehr aktive Ortsbeirat nicht als Partner für diese Willkommensaktion angefragt wurde. Auch wir können spontan agieren. Noch besser wäre es natürlich, gemeinsam etwas zu organisieren.“

Was das sind? Plädoyers fürs Meldewesen und gegen Eigeninitiative.

Am Dienstag ist der Besuch in Lankow dann zum Thema im Hauptausschuss geworden. Mit Punkt 3 der Facebook-Diskussion. Darf man Flüchtlinge einfach so treffen? Durch diese Aktion habe man im wahrsten Sinne des Wortes Tür und Tor für alle „Interessierten“ geöffnet. „Da hat jemand nicht zu Ende gedacht!“, postet Susanne Herweg. Mit „Interessierten“ meint sie vermutlich: NPD, die Organisatoren von „Schwerin wehrt sich“ und andere.

Stadtpräsident Stephan Nolte (CDU) hat deshalb am Dienstag bei der Stadtverwaltung nachgefragt. Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow (Linke) will jetzt prüfen, welche Regelungen es gibt.

Was das ist? Eine Angsthasen-Diskussion. Kuschen vor Fremdenfeinden, weil die ja eventuell vielleicht etwas planen könnten. Darum lieber abschotten. So als gelte kein Hausrecht in den Heimen, als gebe es keine Sicherheitsleute und niemanden unter den Flüchtlingen, der sagt, mit wem er sich treffen möchte.

„Liebe Kommentatoren“, schreibt jemand zum Abschluss auf Zischkes Facebookseite. „Ich war bei dem Besuch dabei, es war mit den Verantwortlichen abgestimmt und schlicht eine Aktion, um Menschen zu helfen, die Hilfe gerade nötig haben. Schade, dass es manchen gelingt, auch dies noch kaputt zu reden...“

 

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