
Schweriner Eltern solidarisieren sich mit Hebammen
Für Beatrix Burkardt ist eine freiberufliche Hebamme wie jemand, den man in sein Schlafzimmer lässt: eine absolute Vertrauensperson. Sie selbst übt diesen Beruf seit 25 Jahren aus. Vielen der Kinder, die am Mittwoch mit ihren Eltern zum Protest an den Pfaffenteich gekommen waren, hat sie auf die Welt geholfen. Ob sie das auch künftig noch kann, steht in den Sternen. Denn: Wer als freiberufliche Hebamme arbeiten möchte, benötigt eine Haftpflichtversicherung. Das ist Pflicht. Sie deckt die Schäden ab, die entstehen können, wenn eine Hebamme bei ihrer Arbeit Fehler macht. Das Problem: Weil das langwierige und kostspielige Behandlungen nach sich ziehen kann – die Versicherung dann also viel Geld bezahlen muss – ist kaum ein Versicherungsunternehmen bereit, Hebammen aufzunehmen. Zum 1. Juli 2015 zieht sich die nächste Versicherung zurück.
Wer die Hebammen dann noch versichert – in Schwerin sind sechs Freiberufliche betroffen –, ist sowohl beim Bund freiberuflicher Hebammen als auch beim Deutschen Hebammenverband noch offen. Dessen Präsidentin, Martina Klenk, spricht von einer „absurden Situation“. Die Folgen liegen auf der Hand: „Das bedeutet Berufsverbot für die freiberuflichen Hebammen“, sagt Ruth Pinno, Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen. Denn ohne Haftpflichtversicherung keine Betreuung bei Geburten zu Hause, im Geburtshaus oder als Beleghebamme in der Klinik. Viele Eltern wären künftig in der Wahl der Entbindungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt.
Das ist „unmöglich“ und „unverantwortlich“, finden Claudia Krauleidies und Anja Plokarz. Auch sie haben ihre Kinder mithilfe einer freiberuflichen Hebamme entbunden und bekunden für ein Protestvideo am Pfaffenteich ihre Solidarität mit den Hebammen. Ebenso wie Gesine Markwardt. Für sie war es wichtig, vor, während und nach der Geburt ihrer beiden Kinder eine solche Vertrauensperson an ihrer Seite zu wissen. Insgesamt sind rund 100 (werdende) Mütter und Väter zum Pfaffenteich gekommen. Die meisten mit Kindern.
Die Diskussion um die Versicherung lässt den Eindruck entstehen, dass freiberufliche Hebammen viele Fehler machen und den Versicherungen deshalb hohe Kosten entstehen. Die Zahlen sagen dagegen etwas anderes aus: So liege die Anzahl der Schadensmeldungen, die jährlich beim Deutschen Hebammenverband eingehen, seit Jahren konstant bei etwa 100. „Bei etwa der Hälfte kommt es tatsächlich zu Schadenersatzforderungen, davon sind nur ein sehr geringer Teil sogenannte Großschäden“, so der Verband.
Was also verursacht dann die hohen Ausgaben im Schadenfall? Das ist zum einen ein für betroffene Kinder positiver Punkt: Das Schmerzensgeld ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen, hat sich für gleiche Verletzungen vervierfacht. Das lässt auch die Deckungssumme der Versicherungen steigen. Reicht diese im Schadenfall nicht aus, haftet die Hebamme mit ihrem Privatvermögen. Zum anderen werden Behandlungsmethoden immer besser – aber eben auch teurer. Außerdem lassen sich Risiken durch Spätschäden nur schwer kalkulieren.
Faktoren, die sich die verbliebenen Versicherungen über die Beiträge teuer bezahlen lassen: Konnten sich Hebammen 2002 noch für 453 Euro im Jahr versichern, liegt der Jahresbeitrag inzwischen bei mehr als 4000 Euro. Im Juli soll er erneut um 20 Prozent steigen.
Die Problematik betreffe nicht nur freiberufliche Hebammen, sagt Michaela Skott, die den Protest am Pfaffenteich mitorganisiert hat. Angestellte Kolleginnen seien zwar über den Arbeitgeber versichert, die Versicherungssummen aber nicht immer hoch genug. Im Zweifel hafte die Hebamme dann ebenfalls mit ihrem Privatvermögen.
Sollte sich in der Versicherungsfrage keine Lösung abzeichnen, könnte Beatrix Burkardt wie wohl viele andere freiberuflichen Hebammen nur noch eine Vor- und Nachsorge anbieten, die Geburt - den wohl wichtigsten Moment in ihrem Beruf - dagegen nicht mehr. Ob das am Ende für die Existenzsicherung reichen würde, ist noch unklar.