So sieht eine Flüchtlingswohnung aus

  • Sylvia Kuska
    Das Wohnzimmer (Bild 1 von 6).
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    Die Küche. In Schwerin wohnen derzeit 333 Flüchtlinge in 91 Wohnungen wie dieser.
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    Schlafraum Nummer 1. Gardinen? „Sind nicht in der Standardausstattung drin“, sagt Thomas Köchig. Die WGS besorge trotzdem welche.
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    Schlafraum Nummer 2.
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    Das Bad.
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    Der Flur. Der Quadratmeter für diese Wohnung kostet 5 Euro kalt. Offizieller Mieter ist die Stadt. Die Kosten bekommt sie vom Land ersetzt.
Nein, hier ist niemand überhastet ausgezogen. Das ist die fertige Stube in einer Wohnung für Flüchtlinge.
01.10.2015
Sylvia Kuska

Ein Plattenbau im Mueßer Holz. Teilsaniert. Erdgeschoss, rechts. Die Tür lädt sperrangelweit zum Reinkommen ein. Die Ornamente auf dem PVC fallen gleich hinter der Schwelle beige-braun aus der Zeit, bahnen sich ihr Muster durch Flur, Wohnzimmer, Küche und die beiden Schlafräume.

Die Stube liegt gleich rechts und ist möbliert. Wenn man vier Tische und Stühle so nennen möchte. Der Blick wandert zum frischen Weiß an der Wand, zur schlichten Hängelampe an der Decke. Mehr kommt hier nicht rein? „Mehr kommt hier nicht rein“, sagt Heidi Weist von der Wohnungsgesellschaft Schwerin (WGS). Keine Couch? Kein Sessel? Kein Schrank? Nicht mal ein Regal? „Nein. Nichts.“ Nichts heißt auch: kein Radio oder Fernseher. So sehen es die Kriterien für die so genannten Übergangswohnungen vor.

Einziehen werden hier Flüchtlinge, die das Land der Stadt zuweist. Hier leben sie für die Zeit ihres Asylverfahrens. Manchmal drei Monate. Manchmal länger. Selten kürzer. Diese Wohnung hat drei Zimmer auf 60 Quadratmetern – macht Platz für vier Leute. In Fünf-Raum-Wohnungen sind es acht. Oft, sagt Heidi Weist, kennen sich die Leute untereinander nicht.

Wer am Ende des Verfahrens asylberechtigt ist, muss wieder ausziehen und sich eine eigene Bleibe suchen, erklärt Thomas Köchig. Er ist Chef der WGS und stellt als kommunales Unternehmen der Stadt die leeren Wohnungen zur Verfügung. 91 sind es derzeit, verteilt auf Lankow, Krebsförden, Großer Dreesch, Mueßer Holz und Neu Zippendorf. Um die 300 sollen es werden bis 2016. So die derzeitigen Prognosen. In der Alt- und Weststadt gibt’s theoretisch auch WGS-Immobilien. „Die sind aber alle bewohnt“, sagt Heidi Weist.

In der „Musterwohnung“ geht’s von der Stube aus in die Küche. Hier verteilen sich Herd, Spüle, Mülleimer, herdhoher Kühlschrank und ein doppelter Unter- und Oberschrank auseinandergestellt die Wände entlang. Wer sitzen möchte, muss Tisch und Stuhl aus der Stube holen. Auf der Anrichte stehen zwei Töpfe und Pfannen, vier Tassen, ein paar Teller. Daneben liegt Besteck, eine Suppenkelle und ein Pfannenwender. Guten Appetit für vier Personen.

5000 Euro erhalte die WGS vom Land, um eine Wohnung einzurichten. Unabhängig von ihrer Größe, erzählt Heidi Weist. Alles werde neu gekauft. Im Einheitslook. Und Großhandel. Das spart. Möbelspenden nimmt die WGS so gut wie gar nicht an. Damit alle gleich behandelt werden.

Im Türrahmen zu einem der beiden Schlafräume fällt der Blick auf zwei Doppelspinde; und irgendwie steht der Körper innerlich gleich automatisch stramm. Auch die Spinde sind vorgeschrieben, weil gut abschließbar. Sie sollen den Bewohnern etwas Privatsphäre geben.

Bleibt noch das Bad. Innenliegend. Quadratisch, praktisch, typisch Plattenbau. Das Toilettenbecken steht auf dem Boden, der Spülkasten ist nicht hinter der Wand versteckt. Die Fliesen sind neu,  bedecken nicht den ganzen Raum. In der Ecke, eine Waschmaschine ohne Schnick und Schnack.

Im Schnitt 5000 Euro nehme die WGS pro Wohnung in die Hand, um zum Beispiel Sanitäranlagen, Fußböden und Elektrik instand zu setzen, Wände zu malern, die Schlafzimmertüren der Privatsphäre wegen mit Zylinderschlössern zu versehen oder einst für den Abriss bestimmte Objekte wieder bewohnbar zu machen. Macht bei geplanten 300 Wohnungen 1,5 Millionen Euro, rechnet Thomas Köchig vor. Ausgaben, die er nicht vom Land ersetzt bekomme. Hier sieht der WGS-Chef Bund und Land in der Handlungspflicht. „Werden Sie diese Kosten nun auf alle Mieter umlegen?“, fragen wir. „Nein. Das muss sich langfristig über die Mieten aus diesen Wohnungen finanzieren.“ Kurzfristig würdigt der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) die WGS jetzt schon „für diese außerordentliche Leistung“. Das sei beispielgebend.

Besen, Bügelbrett, Wäscheständer und Wischeimer im Flur mitgerechnet, ist die Wohnung zu Ende besichtigt. Freiwillig nehmen würde sie keiner der Anwesenden.
Vermutlich am Freitag werden vier Flüchtlinge einziehen.

Lesetipp:

Wie viele Flüchtlinge und Asylsuchende sind in diesem Jahr schon nach Schwerin gekommen? Welche Leistungen erhalten Asylbewerber? Wie viele Menschen sind in den Schweriner Notunterkünften untergebracht und wie lange werden sie dort bleiben? Wie läuft ein Asylverfahren ab? Können Asylsuchende arbeiten gehen? Antworten auf Fragen wie diese gibt die Verwaltung auf ihrer Internetseite unter www.schwerin.de

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