„Und ich bin Volker!“

Den Namen hat er auf ein kleines Schild geschrieben. Der Mann, Mitte 30, groß, Typ netter Kerl, wartet am Rathaus. Auf seinen Moment. Die Mvgida-Anhänger biegen um die Ecke und bilden einen großen Kreis. Immer noch 250, 300 Leute. Sie rufen: „Wir sind das Volk!“
13.01.2015
Matthias Hufmann

Der Mann nutzt die kurzen Pausen: „Wir sind das Volk!“ - „Ich bin Volker!“ - „Wir sind das Volk!“ - „Ich bin Volker!“ Er zeigt auf das Schild. Und ruft lauthals zurück. Nur ein Kanon hätte den Plan verhindern können.

Es ist Dienstagabend, kurz vor 8, Marktplatz. Vor anderthalb Stunden hat die islamfeindliche Demo begonnen, 30 Minuten nach der Gegenveranstaltung. Und zu der sind 1000 Menschen auf den Alten Garten gekommen. Neugierige, die schauen wollen, wer wo steht. Träger mit roten Fahnen, die sich sicher über den Wind freuen. Vor allem aber Schweriner, die sich für Toleranz einsetzen und gegen jene Mvgida-Anhänger protestieren, die sich keine 50 Meter weiter an der Siegessäule versammeln. Eine Straße trennt die Gruppen. Und Welten.

Als Michaela Skott um 6 auf die eigens errichtete Bühne tritt, ist das beste Statement schon nicht mehr zu lesen. „Am Mecklenburgischen Staatstheater arbeiten Menschen aus 21 Nationen friedlich und produktiv zusammen!“ Es ist zu dunkel für das Plakat.

Skott hat Schwegdida organisiert, Schweriner gegen die Idiotisierung des Abendlandes. In einer Woche: Kirchen, Gewerkschaften, diverse Parteien und das Aktionsbündnis für ein weltoffenes Schwerin ins Boot geholt. Im Büro des Ministerpräsidenten angerufen und viel dafür getan, dass um 18.30 Uhr – und im Beisein von Erwin Sellering, Oberbürgermeisterin Gramkow und vielen Politikern – die Lichter ausgehen. Im Theater, im Museum, in der Staatskanzlei, in den Kirchen. Als Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit. Nur im Schloss ist der sechste Stock hell erleuchtet. Ein Signal der NPD an Mvgida: Seht her, wir suchen Anschluss.

Michaela Skott sagt: „Ja, es gibt Unzufriedenheit und Ängste. Ja, es ist nicht alles super und wunderbar. Aber müssen wir unsere berechtigte Kritik den Extremen überlassen?“ Auf dem Alten Garten wird der Terroropfer von Frankreich gedacht, die „Marseillaise de la paix“ gesungen, Pastor Holger Marquardt spricht ebenso wie Philosoph Carlo Ihde aus Rostock.

An der Siegessäule werden Fackeln angezündet. Es ist bald 7. Die Leute von Mvgida wollen durch die Stadt marschieren. Spazieren gehen, nennen es die Organisatoren. Nur: Die Schlossstraße ist blockiert, die Polizei muss eingreifen, die Route ändern. Über die Geschwister-Scholl-Straße in die Mecklenburgstraße. Mvgida vorweg, dann die Polizei, dann Schwegdida.

7.15 Uhr. Der Grieche steht vor der Tür. Im Restaurant ist nicht viel los. Was das sei, fragt er. „Wie Dresden“, sagt einer. Er nickt kurz, spricht mit seinem Mitarbeiter. Und staunt weiter.

7.30 Uhr. Am Südufer des Pfaffenteichs beginnt die erste Mvgida-Rede, die nicht niedergepfiffen wird. Die Gegendemonstranten müssen ein Stück zurückbleiben. 10 Minuten. Das ganze Programm. Überfremdung, Angst vor Anschlägen. Ein bisschen EU-Kritik. Nachfragen bei Teilnehmern enden mit „Hau ab“ und „Lügenpresse“.
Drei Männer pinkeln in den Pfaffenteich.

7.50 Uhr: Der Marsch erreicht den Marktplatz. Gleich werden sie „Volker“ kennen lernen.

7.55 Uhr Vor dem Rathauseingang stehen weitere Gegendemonstranten, die vor der Sperrung hierher gelangt sind. Ein paar halten Protestschilder hoch, manche rufen. Alle werden beleidigt, fotografiert, verhöhnt. Die AfD wird gewusst haben, weshalb sie in Schwerin nicht mitmachen wollte bei Mvgida. Wenige Frauen sind unter den 250, 300 Leuten, ein paar Familien, ein paar NPD-Funktionäre (Landeschef Stefan Köster, MdL Tino Müller, Thomas Wulff, Vorsitzender in Hamburg), vor allem aber viele junge Männer (auch aus der Kameradschaftsszene), die vermutlich nicht gekommen wären, wenn Hansa gespielt hätte.

8.10 Uhr. Über die Schlossstraße geht es zurück zur Siegessäule.

8.20 Uhr. Die Polizei löst die Demo auf. Ihre Bilanz: Zwei Anzeigen wegen gefährlicher Körperverletzung.

Die Mvgida-Leute werden zum Parkplatz zwischen Schloss und Staatskanzlei gebracht. Sie lösen ihre Tickets und fahren nach Hause. Das Volk ist weg. „Volker“ wird's gefreut haben.

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