Und zum Schluss läuft „Deutschland, Deutschland über alles...“

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Samstag, kurz nach 19 Uhr in Schwerin: 300 Fremdenfeinde marschieren durch die Stadt. Am Marienplatz dröhnt aus Boxen laut das Deutschlandlied. Strophe für Strophe. Gerufen wird: „Wir wollen keine Asylantenheime.“ Proteste gibt es keine.
18.10.2015
Matthias Hufmann

Zwei Stunden zuvor hatten sich die Teilnehmer der Demo am Hauptbahnhof getroffen. Die Abläufe sind die gleichen wie vor vier Wochen. Sammeln zur Musik u.a. von Annett Müller, die vor Jahren schon mit ihren Liedern auf den „Schulhof-CDs“ der NPD vertreten war. Die Polizei überprüft die Ordner, die Veranstalter testen das Mikrofon, sortieren die Banner, weisen die Leute auf das Flaschen- und Alkoholverbot hin, warnen vor der „Lügenpresse“ und stellen ihre eigenen Fotografen („Dani und Norbert“) vor, damit diese nicht wieder verwechselt und attackiert werden. Zum Warm-Up spricht ein älterer Mann und begrüßt die „wehrhaften Patrioten“.

Um 17.30 Uhr macht sich der Zug Richtung Innenstadt auf. Wismarsche Straße, runter zum Paffenteich, Mecklenburgstraße, hoch zum Markt. „Heute gehört uns der Platz allein“, sagt Torsten S., einer der Veranstalter. Und tatsächlich: Eine Gegenveranstaltung ist nicht angemeldet, die Schweriner Initiativen hätten es nicht rechtzeitig geschafft, wird in der Stadt berichtet. Ein paar junge Leute von der Antifa sind da - das ist es auch schon.

S. liest seine Rede vom Blatt ab. Er zieht über Bürgermeisterin Angelika Gramkow her. Vor allem aber über Angela Merkel. Vordrucke mit Anzeigen gegen die Kanzlerin wegen Verdacht des Hochverrats können mitgenommen werden.

Für S. - und Mitveranstalter David B. - sind dies aufregende Wochen. Der Protest vor der Notunterkunft in Lankow, die Demos in Schwerin und Wismar. „Ich habe gerade Tränen in den Augen. Mein Volk erwacht endlich!!!“ steht auf einer ihrer Facebookseiten.

Der Marsch von „Schwerin wehrt sich" führt an diesem Abend an der Staatskanzlei vorbei zur Siegessäule. Uwe W., ein weiterer Redner, ruft zur Wahl der NPD auf und sieht die Meinungsfreiheit in Gefahr. Zur gleichen Zeit sammelt ein Demoteilnehmer die an der Straße (und auf dem Markt und am Pfaffenteich) aufgestellten Plakate für Demokratie und Vielfalt ein („Nationalismus raus aus den Köpfen“).

Um kurz nach sieben ist die Demo am Marienplatz angekommen. Beide Einkaufszentren haben noch geöffnet. Viele Menschen sind unterwegs. Es scheint, als hätten sich die Fremdenfeinde das Deutschlandlied eigens für diesen Moment aufgehoben.

Hintergrund

Die erste Strophe des Deutschlandliedes („Deutschland, Deutschland über alles…“) bildete zusammen mit dem Horst-Wessel-Lied die Hymne der Nazis. Trotzdem darf man die Strophe ungestraft singen. Das machen sich die Fremdenfeinde in Schwerin zu Nutze.

 

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