
Wahleinspruch aus Paraguay abgewiesen
Jürgen Ernst Hass fordert darin, die Kommunalwahl vom 25. Mai für ungültig zu erklären. Er begründet das mit (zum Beispiel):
- Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der bei der Europawahl doppelt abgestimmt habe. Europawahl? „Zwecks Vermeidung von überflüssigen Wiederholungen verweise ich auf meine Wahlanfechtung zur Europawahl, denn viele Argumente treffen auch auf diese Kommunalwahl (...) zu“, schreibt Hass.
- der Deutschen Botschaft in Asuncion, die Schmiergeld gezahlt habe, um die Aufhebung von 30 Vaterschaftsanerkennungen zu bewirken.
- einer Großspende der Familie Quandt an die Bundes-CDU, die wie eine Belohnung für eine getroffene politische Entscheidung wirke (hier: keine strengeren CO2-Normen).
- der Anfälligkeit für Wahlbetrug bei Briefwahlen.
- Auslandsdeutschen, die nicht im Bundesrat vertreten seien.
Hass schreibt: „Ich verwalte Ländereien, die um ein Vielfaches größer als Bayern, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zusammen sind. Berlin kann man in den Ländereien verstecken.“
Hass befindet sich auf einem bizarren Rachefeldzug gegen Deutschland. Er triezt Städte und Behörden mit Schreiben, die gelesen und beantwortet werden müssen. Er werde den Staat so lange schädigen, bis ihm die Erlaubnis zur Beratung gegeben werde, hatte Hass dem Spiegel gesagt. 2006 war das - und sein Fax nach Schwerin legt nahe, dass die Erlaubnis auch acht Jahre später noch nicht vorliegt.
Hass hatte ohne Zulassung kostenpflichtige Rechtsberatungen angeboten. Vor 27 Jahren wurde er nach diversen juristischen Scharmützeln wegen Betrugs zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zuvor war er u.a. Stadtrat der niederrheinischen FDP in einem Ort namens Rees. „Er hat schon immer Gesetze nach Lücken durchforstet, die er anprangern konnte“, berichtete ein Kommunalpolitiker der Süddeutschen Zeitung. Einmal hätte Hass sogar erreicht, dass in Rees die Kommunalwahl wiederholt werden musste. „Das hat ihn irgendwie größenwahnsinnig gemacht.“
Seit der Freiheitsstrafe aber führt er einen Kampf gegen den deutschen Staat, von dem er sich „behandelt fühlt wie ein Hund“, wie er der britischen Zeitung The Guardian einmal sagte. Er ging „mit der Energie eines Marathonläufers“ (Spiegel) vor. Klagen, Beschwerden. Hundertfach. 2004 der Offenbarungseid. 2005 ein Haftbefehl wegen Betrugsverdachts. Hass wanderte nach Paraguay aus.
Und dort? In Südamerika erkannte der heutige Mittsechziger vor allem Vaterschaften an. 2000 sollen es insgesamt sein. Für Kinder aus Paraguay, Rumänien, Russland und anderswo. Den in Armut lebenden Mädchen und Jungen wollte er zu einem deutschen Pass und zu Sozialleistungen verhelfen, sagte Hass. Dies wäre sein „persönliches Entwicklungshilfeprogramm“. Er berief sich dabei auf das Kindschaftsrecht, wonach Vater war, wer sich dazu bekannte. Das Justizministerium musste tatsächlich handeln, um die offene Flanke zu schließen, die das Gesetz gelassen hatte.
Die deutsche Botschaft weigerte sich beharrlich, seine Vaterschaften zu beurkunden. Das stachelte Hass noch mehr an. Er wurde geradezu hyperaktiv, schrieb der Spiegel. 2010 dann saß er auch in Paraguay im Gefängnis. Die Vorwürfe: Urkundenfälschung und Verstoß gegen das Adoptionsrecht.
Und heute? Er stellt Videos ins Netz, die ihn als Berater zeigen. Er hatte noch aus dem Knast heraus angeboten, 2000 Paraguayerinnen seinen Samen zu spenden. Außerdem triezt er weiter. Diesmal Schwerin. „Die Stadt wurde angeschrieben und muss sich deshalb mit dem Thema befassen“, sagte Frank Czerwonka, der Büroleiter der Stadtvertretung, nach dem Eingang des Faxes.
Das Ergebnis von Montagabend: Der Einspruch wurde von den Stadtvertretern einstimmig abgelehnt. Begründung: „Der Einspruchsführer ist nachweislich nicht in Schwerin wahlberechtigt und kann daher keinen Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl erheben", heißt es in der Beschlussvorlage. „Jetzt müssen wir wohl das Porto für einen Brief nach Paraguay zahlen“, sagte Stadtpräsident Stephan Nolte.
Hass wird mit der Ablehnung gerechnet haben: Nach dem Wahlprüfungsgesetz entscheide zunächst der Rat der Stadt über die Gültigkeit der Wahl, schreibt er gleich zu Beginn. „Gegen diese Entscheidung kann Klage am Verwaltungsgericht erhoben werden.“