Passt das in den Streifen?

  • Lena Becker
Auf dem Obotritenring gibt es einen neuen Fahrradstreifen. Ist das eigentlich eine gute Nachricht für Radfahrer? Wir haben uns mal umgeschaut. Und gezählt.
15.07.2016
Lena Becker und Wenke Schulz (Schülerpraktikantinnen)

Obotritenring, Dienstag, 11 Uhr: Der Verkehr ist in vollem Gange. Kaum an der Ecke Wittenburgerstraße angekommen, können wir - Lena Becker und Wenke Schulz - die erste brenzlige Situation beobachten. Am Straßenrand parkt ein Auto - und zwar auf dem Radweg. Die Kofferraumklappe wird geöffnet, zwei Personen laden Pakete aus. Drei Fahrradfahrer fahren auf dem Streifen, unmittelbar neben ihnen ein breiter Lkw: Sie müssen ausweichen. Doch wohin?

Seit Ende April gibt es auf der vierspurigen Straße zwei 1,50 Meter breite Radwege. Die äußeren Spuren sind dadurch nur noch 2,25 Meter breit. Fahrradfahrer radeln nun Seite an Seite mit Autos und Lkw den Obotritenring entlang. Der Streifen ist jedoch kein Muss - unsichere Radfahrer können weiterhin auf dem Bürgersteig fahren.

Wir stehen am Rande des Bürgersteigs. Der Verkehr wird regelmäßig durch die Ampeln gebremst. Dann die nächste grüne Welle, die Motorengeräusche werden lauter. Eine Fahrradfahrerin kommt vorbei, fährt auf dem Bürgersteig. Wir setzen einen Haken bei „Bürgersteig“. Und zählen weiter. Von 11 bis 12. Eine Stunde lang.

Nach 20 Minuten haben wir 23 Radfahrer gezählt. Der Radweg ist frei, Behinderungen gibt es kaum. Trotzdem ist bis jetzt nicht mal die Hälfte der Radfahrer auf dem Streifen gefahren. Warum? „Ich finde den Bürgersteig viel sicherer", sagt ein junges Mädchen. "Der Radweg ist einschüchternd, die Autos rasen so schnell an einem vorbei.“

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub glaubt hingegen, dass die Gefahr auf dem Bürgersteig größer ist als auf der Straße. „Vor allem an Hauseinfahrten kommt es häufig zu Zusammenstößen", sagt auch Bernd Nottebaum, der zuständige Dezernent der Stadt.

Joachim Poscher vom Allgemeinen Automobilclub Europa (ACE) sieht das anders. Der Gehweg sei breit genug. Und beim Rechtsabbiegen, so Poscher, hätte er schon öfter brenzlige Situationen auf der Straße erlebt. Autofahrer würden die Radler nicht wahrnehmen.

Seit Jahren schon wurde über den Verkehr auf dem Obotritenring gestritten. Eine Senkung auf Tempo 30 wurde nach langen Diskussionen ausgeschlossen. Man hatte sich jedoch geeinigt, einen Fahrradschutzstreifen einzuführen.

Obotritenring, Dienstag, 12 Uhr: Die Ergebnisse stehen fest. Wir haben 45 Fahrradfahrer gezählt. 29 fuhren auf dem Bürgersteig, 16 auf dem Radweg. Und die anfänglich beschriebene Situation - ein parkendes Auto, drei Fahrradfahrer, ein Lkw? Der Lastwagenfahrer hat die Radler rechtzeitig bemerkt. Er verlangsamte sein Tempo, die Fahrradfahrer konnten auf die Fahrspur ausweichen. Ist nochmal gut gegangen.