Wie wohnte man im E-Werk, Frau Riemann?

  • Hans-Dieter Hentschel
„Immer wenn die Turbinen ansprangen, wurde das Haus durchgeschüttelt“, erinnert sich die Schwerinerin. Ihr Vater war Maschinist und durfte mit seiner Familie im E-Werk wohnen.
01.05.2014
Matthias Hufmann

Die Turbinen waren groß und laut, aber daran hätte man sich gewöhnt, sagt Eva Riemann. Sie lebte mehr als 20 Jahre am Nordufer des Pfaffenteichs. „Die Betriebswohnung war ein wahres Geschenk.“ Die Miete günstig - „und heizen konnten wir, wie wir lustig waren.“ Bis 1969 diente das Elektrizitätswerk der Produktion von Strom, die Schaltanlage blieb noch viele Jahre danach in Betrieb.

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Die Familie hatte sich in den 50er-Jahren eingerichtet in ihrer Wohnung mit direktem Zugang zur Turbinenhalle, der heutigen Hauptbühne. Zweieinhalb Zimmer plus Toilette, Küche und Waschküche. Und auf das Dach kam später die Westantenne. „Die hatten mein Bruder und mein Vater installiert. Ist nie jemandem aufgefallen“, so Riemann.

Der malerische und schlossähnliche Backsteinbau wurde 1903/04 errichtet. Als 60, 70 Jahre später Reparaturen an der Fassade anstanden, wussten sich die Mieter zu helfen. Backsteine? Gab es nicht. „Es wurden deshalb einfache Ziegel mit Salpeter angestrichen. Das sah genauso aus - und ist auch nie jemandem aufgefallen.“

1979 wurde es dann zu eng. Das Dach war zwar längst ausgebaut, aber Riemann zog es mit Mann und Kind auf den Dreesch. Ihre Mutter blieb nach dem Tod des Vaters bis 1991 im E-Werk wohnen, sie war die letzte Mieterin. Danach stand das Gebäude leer. Seit 1998 wird das Haus vor allem als Spielstätte des Staatstheaters genutzt.

Eva Riemann ist mal mit dem Fahrrad an ihrer alten Wohnung vorbeigefahren. Es brannte Licht, sie klingelte, lernte Anne-Kathrin Auel vom Kunstverein Schwerin kennen und erzählte ihre Geschichte. Wie wohnte man im E-Werk? „Es war eine tolle Zeit.“

Service:

Eva Riemann wird am Donnerstag im und übers E-Werk berichten - und zwar ab 17 Uhr im Begleitprogramm zur Ausstellung „Dieter Schwerdtle: Fotografierte Industriearbeiter“. Neben ihrem Vortrag wird es Ausführungen geben von Dr. Alexander Link (Stadtmuseum Kassel) zum Nachlass Schwerdtles, von Anne-Kathrin Auel zu der Parallelserie von Arbeiterporträts aus Thailand und von Daniel Klemm (Uncommon place. Artist agency for young phtography, Berlin; www.uncommonplace.de) über Porträtfotografie im Kontext Arbeit. 

Mit „Ego Sum Alpha et Omega“ zeigt der Kunstverein Schwerin auch eine Comic-Animation von Jan-Peter Meier (creaturepark.net) und präsentiert mit „aufgelassen“ eine elektroakustische Hörstation von Denise Ritter aka Schachtanlage Gegenort (www.gegenort.com). Wo? Im E-Werk. Bei Frau Riemann, sozusagen.