
Stromausfall bei Helios: Defekte Batterie war's
„Multiples Organversagen“, so beschreibt Karl Heinrich de Roi das, was am 29. Oktober 2013 bei Helios passiert ist. Nur dass der Patient das Krankenhaus selbst war. Bildschirme blieben schwarz, Kliniktelefone in Büros und auf Station stumm. Medizinische Geräte fielen aus. Und dann war da noch ein Mann auf der Intensivstation, der kurz darauf verstarb. Was wie Dramatik für einen schlechten Film klingt, wurde an jenem Herbsttag in Schwerin Wirklichkeit, nachdem ein Bagger aus Versehen eine Hauptleitung im öffentlichen Stromnetz gekappt hatte und die Ersatzschaltung des öffentlichen Versorgers nicht funktionierte.
Karl Heinrich de Roi leitet den Bereich der Betriebstechnik aller Krankenhäuser der Helios-Gruppe, kennt jedes der bundesweit 109 Häuser. Sein Schreibtisch steht im zentralen Firmensitz in Berlin. Die meiste Zeit verbringt er jedoch vor Ort an den einzelnen Klinikstandorten. Für unser Gespräch kam er nach Schwerin. Er spricht von Spannungsspitzen, Batteriepufferung, galvanischen Trennungen. Der Techniker holt aus, rekapituliert jenen Tag minutiös, um die Zusammenhänge zu erklären. Sie sollen verstehbar machen, was er und die Schweriner Klinikleitung selbst lange nicht verstehen konnten: Wie konnte der Strom in der Klinik - und damit Beatmungsgeräte auf der Intensivstation – ausfallen, obwohl die Notstromaggregate wie vorgeschrieben angesprungen waren?
Gutachter kamen. Der Wartungsdienst auch. Sie suchten. Und suchten. Nach dem Fehler, nach einer Erklärung. „Die Kontrolllampe der Anlage zeigte Grün, Fehler meldete sie nicht“, erinnert sich Karl Heinrich de Roi. Ein Streich der Technik, wie sich später herausstellt. „Eine der Steuerbatterien hatte einen Zellenschaden.“ Für sich genommen reichte die Spannung aus, daher keine Fehlermeldung. Aber nicht, um in der Notsituation der Belastung standzuhalten und den Strom von den Aggregaten weiterzuleiten. Das sei jedoch erst Monate später, nach diversen Untersuchungen sämtlicher Bauteile, klar geworden. „Ob die Batterie schon vor dem Stromausfall defekt war oder durch die Überspannung im Kliniknetz beschädigt wurde, lässt sich rückwirkend nicht mehr klären.“
Klärungsbedarf besteht nach Angaben des Technikchefs aber noch darin, ob die Stadtwerke für die anderen – von der defekten Batterie unabhängigen – Schäden in der Klinik haftbar gemacht werden können. Nachdem der Bagger das Hauptkabel gekappt hatte, sei der automatische Versuch des öffentlichen Versorgers, den Strom auf der Ringleitung aus der anderen Richtung einzuspeisen, fehlgeschlagen, sagt de Roi. Folge 1: Kurzschluss. Folge 2: Spannungsspitzen, denen die Schutztrafos des klinikeigenen Stromnetzes nicht standhalten konnten. Folge 3: Überspannung im Kliniknetz. Folge 4: Elektronische Anlagen und medizinische Geräte gingen kaputt, darunter ein Computertomograph. Kliniktelefone in Büros und auf Station fielen aus. „Und keiner wusste, wie stabil das Netz draußen ist, ob der Strom vielleicht nochmal ausfällt.“ Eine Dramatik, die Karl Heinrich de Roi auch Monate später nur schwer in Worte fassen kann. Und ein Schaden, der auf rund 200.000 Euro beziffert wird.
Zurückzublicken, Fehler zu analysieren, ist das eine. Doch was lässt sich tun, um solche Stromausfälle in der Klinik künftig zu vermeiden? Im Notfall soll Strom künftig zusätzlich von externen Aggregaten ins Kliniknetz eingespeist werden können, sagt Karl Heinrich de Roi. Außerdem würden Starter- und Steuerbatterien künftig voneinander getrennt. Gleichwohl seien beide aber über zwei Dioden miteinander gekoppelt. Dadurch würde im Notfall die stärkere Batterie automatisch die Funktion der schwächeren übernehmen. Nicht zuletzt würden die Notstromaggregate wie bisher monatlich - „und damit weit über die geforderten Vorgaben hinaus“ - getestet. Wiederholung also ausgeschlossen? „Wiederholung unwahrscheinlich. Eine hundertprozentige Sicherheit bei Technik gibt es aber nicht."
Ausgeschlossen hat die Staatsanwaltschaft indes, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Stromausfall und dem Tod des Patienten gab. „Darüber hinausgehende Ermittlungen gibt es nicht“, so Oberstaatsanwalt Stefan Urbanek.