
Plastikkarte ersetzt 1765-mal nervigen Papierkram
Für Julia ist die kleine blaue Plastikkarte auf dem Tisch Nebensache. Gerade hat sie mit großen Augen ein Buch mit Abenteuergeschichten, ein Malheft und Stifte aus einer kleinen Tasche gefischt. Ein Geschenk von Sozialdezernent Dieter Niesen. Als Dankeschön, weil ihre Mutter die 1765. Bildungskarte für ihre Tochter persönlich im Amt abgeholt hat und bereit war, sich dabei von Journalisten begleiten zu lassen. Denn die Karte ist seit genau fünf Monaten im Einsatz. Und im Raum steht die Frage: Was hat sie bislang gebracht?
Alexandra Dobschanski erhält die Karte zum ersten Mal für Julia. Anspruch hat sie, weil die Familie keinen Unterhalt bekommt, das Geld knapp ist und ihr Hilfe vom Jobcenter zusteht. Bezahlen wird sie damit das Mittagessen in der Schule und Judo. Vor einem Jahr ist Julia dem Verein beigetreten. Auf ihren gelben Gürtel ist sie mächtig stolz.
Für ihre Mutter löst die Bildungskarte umständlichen Papierkram ab. Beispiel Mittagessen: Bislang bekam Alexandra Dobschanski dafür eine Rechnung vom Essensanbieter. Den Betrag überwies sie von ihrem Konto. Die Rechnung schickte sie zum Amt. Von dort erhielt sie das Geld zurück. Jetzt rechnen Verwaltung und Essensanbieter direkt miteinander ab.
Angelaufen ist die Karte im Frühjahr schleppend. Als es am 2. April losging, gab es kaum Anbieter, bei denen sie eingesetzt werden konnte. Inzwischen ist sie für Fußball, Kung Fu, Judo, Schwimmen, Basketball, Ringen und Musikstunden bares Geld wert. 20 Vereine akzeptieren sie, das Konservatorium, dazu eine Hand voll Nachhilfeinstitute. Seit August sind auch drei Essensanbieter dabei. Dabei soll es nicht bleiben, sagt Sozialamtsleiterin Barbara Diessner. Ihre Mitarbeiter würden weiter bei Anbietern Klinken putzen gehen, auf die Vorteile hinweisen. Die da wären: unkomplizierte Abrechnungen, pünktliche und garantierte Beitragszahlungen und für Vereine unter Umständen mehr Mitglieder.
Auch für die Verwaltung werde sich das Verfahren langfristig auszahlen, ist Sozialdezernent Niesen überzeugt: Der Verwaltungsaufwand sinkt, Anträge werden schneller bearbeitet. Vorteile für alle Seiten. „Das ist selten.“
In Schwerin kommen die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket mehr als 5000 Kindern aus Familien mit geringem Einkommen zugute. Im vergangenen Jahr wurden dafür rund 982.000 ausgegeben. Versandt werden die Karten an Eltern, die einen Neu- oder Folgeantrag stellen. Alle anderen rechnen vorerst weiter mit Papierwust und Vorleistung ab.
Statistik
Rund 982.000 Euro wurden im vergangenen Jahr in Schwerin für Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket ausgegeben. Sie verteilen sich wie folgt:
Teilhabe (Vereine, Musikschule, etc.): 90.000 Euro
Lernförderung: 198.000 Euro
Klassenfahrten: 98.000 Euro
Gemeinsames Mittagessen: 204.000 Euro
Ausflüge 14.000 Euro
Schülerbeförderung: 135.000 Euro
Schulbedarf: 242.000 Euro
Schulbedarf und Schülerbeförderung können nicht über die Bildungskarte abgerechnet werden.