Die unfreiwilligen Dauerparker

  • Kuska
    Der Poller und das Haus Nr. 55
Keine fünf Minuten hat es gedauert, um die Petition mit der Vorlage 00052/2014 im Hauptausschuss abzulehnen. Kurzes Bedauern der Oberbürgermeisterin, keine Gegenstimmen, „kommen wir zum nächsten Punkt“. Die Petition eingereicht hatte Wolfgang Reuter, herzkrank, sehschwach, gehbehindert. Der 79-Jährige und seine Frau haben einen Parkplatz, genauer: einen ungewollten Dauerparkplatz. Deshalb die Petition.
15.09.2014
Matthias Hufmann

Reuter hatte am 5. August an Stadtpräsident Nolte geschrieben. Der Grund: Seit Juli ist der Poller vor Kaufhaus Stolz tagsüber geschlossen. Die Stadt will damit die Fußgängerzone besser schützen. Das bedeutet jedoch: 20 Meter entfernt kommt von 10 bis 18 Uhr kein Auto mehr vom Parkplatz der Mecklenburgstraße 55. Auch nicht das von Sigrid und Wolfgang Reuter. Die 74-Jährige fährt ihren Mann regelmäßig zum Arzt und nimmt ihn zum Einkaufen mit. Selbst ans Steuer kann er nicht mehr. 1. 2. 3. 4. 5. Im handgeschriebenen Brief an Nolte listet er seine gesundheitlichen Probleme genau auf. „Auch wenn es Überwindung gekostet hat“, sagt Reuter. Nur wegen dieser Probleme seien sie überhaupt umgezogen. Das neue Haus - Erstbezug im Frühjahr - habe einen Fahrstuhl. Und auf dem Hof einen Parkplatz.

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Neubau, Parkplatz, Fußgängerzone? Da ist offensichtlich etwas schief gelaufen bei der Planung. Die Stadtverwaltung weist jede Schuld von sich. In der Baugenehmigung werde „ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in diesem Bereich der Fußgängerzone auch für Anlieger der Verkehr in der Zeit von 10.00 - 18.00 Uhr gesperrt sei“, heißt es in der Begründung. So weit, so einfach. Nur: Müssen Mieter tatsächlich in die Baugenehmigung schauen? Oder können sie auf den Mietvertrag vertrauen? Dort jedenfalls stehe nichts von irgendwelchen Sperrzeiten, so die Reuters. Weder im Vertrag für die Wohnung, noch im Vertrag für den Parkplatz. 20 Euro zahlen sie für diesen im Monat: „Das ist günstig. Und hätte uns vielleicht stutzig machen sollen.“

Verwalter von Haus und Parkplätzen - und jetzt kommt die Stadt wieder ins Spiel - ist die WGS, die Wohnungsgesellschaft Schwerin, ein städtisches Unternehmen. Man habe uns über die geplante, neue Poller-Regelung nicht informiert, heißt es von dort.

Am 2. September waren die Anwohner der Mecklenburgstraße 55 bei Angelika Gramkow. Es soll hoch hergegangen sein. Ohne neues Ergebnis. Vorschrift sei Vorschrift, so die Oberbürgermeisterin. Das bedeutet: Es gibt keinen Pollerschlüssel für die Hausgemeinschaft. Kein Depot beim „Trekking-König“, dem Geschäft im Erdgeschoss. Keine Ausnahmegenehmigung. Das würde den Gleichheitsgrundsatz verletzen.

Und jetzt?  „Wir bedauern die mit der WGS entstandene Situation sehr“, antwortet die Stadt auf Anfrage unseres Magazins. Man werde alles noch einmal auswerten. „Wir sind aber trotzdem an die Baugenehmigung gebunden, die klare zeitliche Vorgaben enthält.“

Den Mietern soll zum Ausgleich angeboten werden, dass sie mit Anwohnerparkscheinen zum Beispiel in der Geschwister-Scholl-Straße parken können. Obwohl sie - kein Scherz - ja eigentlich Parkplätze auf dem Hof besäßen. Wolfgang Reuter hingegen soll von der Verkehrsbehörde „hinsichtlich der Antragstellung einer möglichen Parkerleichterung auf Grund einer Schwerbehinderung“ beraten werden, heißt es in der Beschlussvorlage vom vergangenen Dienstag. Die Parkbucht beim Kaufhaus sei dafür eventuell geeignet. Das Problem ist: „Mein Mann hat gar keinen Schwerbehinderten-Ausweis“, sagt Sigrid Reuter. 1. 2. 3. 4 .5. Die Liste mit Krankheiten würde dafür nicht ausreichen.

Die Nachbarn aus Nr. 55 haben übrigens eine Alternative zur Fahrt durch die Fußgängerzone vorgeschlagen. Sie könnten auch über den angrenzenden Hinterhof zur Straße kommen. An den Baukosten - Zufahrt, Höhenausgleich etc. - würden sich die Mieter beteiligen. Der angrenzende Hinterhof gehört zum Center der - WGS. Dort stehen die Autos der Wohnungsgesellschaft. Ein Rund-um-die-Uhr-Parkplatz.

Der Vorschlag wurde abgelehnt.