Sellering schlägt Mauerfall

Heute ist der 9. November. Mauerfall-Jahrestag. Und worüber wird in Mecklenburg-Vorpommern gesprochen? Über den Ministerpräsidenten.
09.11.2014
Ein Kommentar von Matthias Hufmann

Ich habe mal eine Liste darüber geführt, wie oft Erwin Sellering zum erfolgreichsten Satz seiner Karriere ansetzte: „Ich verwahre mich dagegen...“ Wie oft er zwischen „kein“ und „Unrechtsstaat“ noch das Wort „totaler“ gepackt hatte, um nichts zu riskieren und trotzdem zu punkten. Ich habe irgendwann aufgehört damit. Warum? Weil alles wiederkehrte. Der Ministerpräsident wartet förmlich auf die Frage, ob denn die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Besonders vor 3. Oktober und bis 9. November. Seine Antwort ist vorher bekannt, die Schlagzeile copy and paste und eine sichere Verkaufsnummer, es gibt stets einen kleinen Aufschrei - und immer große Zustimmung, zu bemessen (nur ein Beispiel) an der Zahl der Dankesbriefe, die in der Staatskanzlei eingehen. Sellering, der DDR-Versteher. Der Verteidiger ostdeutscher Befindlichkeiten. Die Medien haben ihren Anteil an seinem Wunschprädikat.

Auch diesmal ist das nicht anders. Diesmal sorgte Sellering vor allem in der Welt und beim NDR für Schlagzeilen. Der Sender hat jetzt Namen von Politikern gesammelt, die seinetwegen nicht zur Mauerfallfeier nach Schwerin kommen, die von ihm fordern, die DDR als Unrechtsstaat zu benennen, die ihn, direkt oder indirekt, kritisieren. Politiker von CDU, Grünen, sogar von Linken, seiner eigenen SPD. Rehberg, Suhr, Holter, Backhaus. Und am Samstag - prima Spannungsbogen - noch die Kanzlerin.

Gerät Sellering dadurch unter Druck? Ein bisschen vielleicht, ganz bestimmt aber nur kurz. Das Thema wird nach dem 9. November in der Schublade mit den Jahrestagen verschwinden. Für ihn ist das ein kalkulierbares Risiko mit reichlich Profit. Fortsetzung folgt im Herbst 2015. Auch dann wird es nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung gehen, sondern allein um Überschriften, um copy and paste und die Empörung nach: „Die DDR war kein totaler Unrechtsstaat.“ Sellering hat nie etwas anderes gewollt.

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